Urteil Nr. 50/2003 vom 30. April 2003 Geschäftsverzeichnisnrn. 2302 und 2305 In Sachen : Klagen auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung des Dekrets der Wallonischen Region vom 8. Juni 2001 zur A

Urteil Nr. 50/2003 vom 30. April 2003

Geschäftsverzeichnisnrn. 2302 und 2305

In Sachen : Klagen auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung des Dekrets der Wallonischen Region vom 8. Juni 2001 zur Abänderung des Dekrets vom 23. Juni 1994 über die Schaffung und den Betrieb von Flughäfen und Flugplätzen, die unter die Zuständigkeit der Wallonischen Region fallen, erhoben von Y. Van Caekenberghe und anderen und von der VoG Net Sky und anderen.

Der Schiedshof,

zusammengesetzt aus den Vorsitzenden M. Melchior und A. Arts, und den Richtern L. François, P. Martens, R. Henneuse, M. Bossuyt, E. De Groot, L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman und E. Derycke, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden M. Melchior,

verkündet nach Beratung folgendes Urteil:

  1. Gegenstand der Klagen

    Mit Klageschriften, die dem Hof mit am 14. und 17. Dezember 2001 bei der Post aufgegebenen Einschreibebriefen zugesandt wurden und am 17. und 18. Dezember 2001 in der Kanzlei eingegangen sind, erhoben Y. Van Caekenberghe, wohnhaft in 4340 Awans, rue de la Station 61, P. Collee, wohnhaft in 4432 Alleur, avenue Roi Baudouin 14, A. Delvaux, wohnhaft in 4470 Saint-Georges-sur-Meuse, rue Georges Bérotte 87, R. Delloye, wohnhaft in 4400 Awirs, Bois des Moines 102, J. Dechene, wohnhaft in 4470 Saint-Georges-sur-Meuse, rue du Château d'Eau 20, und J.-P. Olivier, wohnhaft in 4470 Saint-Georges-sur-Meuse, rue du Château d'Eau 22, einerseits und die VoG Net Sky, mit Vereinigungssitz in 4340 Awans, rue du Domaine de Waroux 27, L. Beckers, wohnhaft in 4460 Grâce-Hollogne, rue En Bois 68, R. Arrigo, wohnhaft in 4460 Grâce-Hollogne, rue En Bois 66, L. Giltay, wohnhaft in 4400 Flémalle, rue des Awirs 283, A. Lejeune, wohnhaft in 4450 Lantin, rue J. Martin 12, A. Bourgeois, wohnhaft in 4470 Saint-Georges-sur-Meuse, rue du Centre 34, Hr. Oly, wohnhaft in 4400 Flémalle, rue de la Reine 48/6, und die Goupil Immo AG, mit Gesellschaftssitz in 4431 Loncin, rue des Héros 50, andererseits Klage auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung des Dekrets der Wallonischen Region vom 8. Juni 2001 zur Abänderung des Dekrets vom 23. Juni 1994 über die Schaffung und den Betrieb von Flughäfen und Flugplätzen, die unter die Zuständigkeit der Wallonischen Region fallen (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 16. Juni 2001).

  2. Verfahren

    Durch Anordnungen vom 17. und 18. Dezember 2001 hat der amtierende Vorsitzende gemäss den Artikeln 58 und 59 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Schiedshof die Richter der jeweiligen Besetzungen bestimmt.

    Die referierenden Richter haben Artikel 71 bzw. 72 des organisierenden Gesetzes in den jeweiligen Rechtssachen nicht für anwendbar erachtet.

    Durch Anordnung vom 16. Januar 2002 hat der Hof die Rechtssachen verbunden.

    Durch Anordnung vom selben Tag hat der Vorsitzende M. Melchior die Rechtssachen dem vollzählig tagenden Hof vorgelegt.

    Die Klagen wurden gemäss Artikel 76 des organisierenden Gesetzes mit am 7. März 2002 bei der Post aufgegebenen Einschreibebriefen notifiziert.

    Die durch Artikel 74 des organisierenden Gesetzes vorgeschriebene Bekanntmachung erfolgte im Belgischen Staatsblatt vom 30. März 2002.

    Die Wallonische Regerung, rue Mazy 25-27, 5100 Namur, hat in den jeweiligen Rechtssachen mit am 22. April 2002 bei der Post aufgegebenen Einschreibebriefen einen Schriftsatz eingereicht.

    Diese Schriftsätze wurden gemäss Artikel 89 des organisierenden Gesetzes mit am 14. Mai 2002 bei der Post aufgegebenen Einschreibebriefen notifiziert.

    Erwiderungsschriftsätze wurden eingereicht von

    - den klagenden Parteien in der Rechtssache Nr. 2302, mit am 12. Juni 2002 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief,

    - den klagenden Parteien in der Rechtssache Nr. 2305, mit am 14. Juni 2002 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief.

    Die Wallonische Regierung hat in den jeweiligen Rechtssachen mit am 14. August 2002 bei der Post aufgegebenen Einschreibebriefen einen Erwiderungsschriftsatz eingereicht.

    Durch Anordnungen vom 30. Mai 2002 und vom 28. November 2002 hat der Hof die für die Urteilsfällung vorgesehene Frist bis zum 14. Dezember 2002 bzw. 14. Juni 2003 verlängert.

    Durch Anordnung vom 22. Oktober 2002 hat der Hof die Rechtssachen für verhandlungsreif erklärt und den Sitzungstermin auf den 13. November 2002 anberaumt.

    Diese Anordnung wurde den Parteien und deren Rechtsanwälten mit am 24. Oktober 2002 bei der Post aufgegebenen Einschreibebriefen notifiziert.

    Auf der öffentlichen Sitzung vom 13. November 2002

    - erschienen

    . Me X. Close loco RA L. Misson, in Lüttich zugelassen, für die klagenden Parteien in der Rechtssache Nr. 2302,

    . RA L. Cambier und RA R. Born, in Brüssel zugelassen, für die klagenden Parteien in der Rechtssache Nr. 2305,

    . RA P. Ommeslaghe, beim Kassationshof zugelassen, RA F. Haumont, RA A. Tossens und RAin F. Alen, in Brüssel zugelassen, und RAin F. Guerenne, in Nivelles zugelassen, für die Wallonische Regierung,

    - haben die referierenden Richter J.-P. Snappe und A. Alen Bericht erstattet,

    - wurden die vorgenannten Rechtsanwälte angehört,

    - wurden die Rechtssachen zur Beratung gestellt.

    Das Verfahren wurde gemäss den Artikeln 62 ff. des organisierenden Gesetzes, die sich auf den Sprachengebrauch vor dem Hof beziehen, geführt.

  3. In rechtlicher Beziehung

    - A -

    In bezug auf die Zulässigkeit

    Rechtssache Nr. 2302

    A.1. Die klagenden Parteien seien allesamt Anwohner des Lütticher Flughafens und betroffen von der nächtlichen Belästigung durch den Flughafen, der Gegenstand des angefochtenen Dekrets sei.

    Rechtssache Nr. 2305

    A.2.1. Die erste klagende Partei, die VoG Net Sky, verfolge den Zweck, « die harmonische Einfügung der Wirtschaftstätigkeiten des Lütticher Flughafens zu fördern, indem die Bevölkerung des Lütticher Raumes vor den direkt oder indirekt mit allen Formen des Betriebs des Lütticher Flughafens verbundenen Belastungen geschützt wird ».

    Die sieben anderen klagenden Parteien, sechs natürliche Personen und eine juristische Person, seien allesamt Anwohner des Flughafens und von den Nacht- oder Tagestätigkeiten des Lütticher Flughafens betroffen.

    A.2.2. Die Wallonische Regierung stellt einerseits das Interesse der ersten klagenden Partei an der Klageerhebung in Abrede, denn diese habe kein Interesse daran, eine Klageschrift einzureichen, die « den Schutz der Umwelt und der Lebensqualität » bezwecke. Das kollektive Interesse, auf das eine Vereinigung sich berufen können müsse, um vor dem Hof aufzutreten, liege im vorliegenden Fall nämlich nicht vor. Dieses kollektive Interesse sei offensichtlich auf die Summe der individuellen Interessen ihrer Mitglieder begrenzt, die allesamt Anwohner des Flughafens Lüttich-Bierset seien.

    Andererseits sei nicht erkennbar, inwiefern die angefochtene Handlung tatsächlich den Vereinigungszweck der ersten klagenden Partei beeinträchtigen könnte, der nach Darlegung der klagenden Partei selbst konkret in der Organisation von Kolloquien über die Bekämpfung von Lärm und Lärmbelästigung Ausdruck finde.

    A.2.3. In ihrem Erwiderungsschriftsatz vertritt die erste klagende Partei den Standpunkt, dass die Wallonische Regierung einerseits zu Unrecht behaupte, ihr Vereinigungszweck könne durch das angefochtene Dekret nicht beeinträchtigt werden; die angefochtenen Bestimmungen stellten tatsächlich gesetzliche Bestimmungen dar, die sich auf die Umwelt und die Lebensqualität auswirken könnten, wobei die klagende Partei den Zweck verfolge, diese zu schützen.

    Andererseits decke sich das kollektive Interesse der ersten klagenden Partei nicht mit dem individuellen Interesse ihrer einzelnen Mitglieder.

    In bezug auf die Klagegründe

    Rechtssache Nr. 2302

    Erster Klagegrund

    Klageschrift

    A.3.1. Der erste Klagegrund ist abgeleitet aus dem Verstoss gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit den Artikeln 22 und 23 Absatz 3 Nrn. 2 und 4 der Verfassung und mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

    Die klagenden Parteien führen an, dass der Behandlungsunterschied zwischen den Anwohnern des Flughafens Lüttich-Bierset und denjenigen des Flughafens Charleroi-Gosselies, der sich aus der Festlegung unterschiedlicher Betriebszeiten für diese beiden Flughäfen ergebe, auf keiner vernünftigen und objektiven Rechtfertigung beruhe. Dieser Unterschied werde in den Vorarbeiten lediglich auf der Grundlage der wirtschaftlichen Bestimmung der beiden Flughäfen durch die Wallonische Region gerechtfertigt. Letztere schaffe eine unterschiedliche Regelung zum Nachteil der Anwohner des Flughafens Lüttich-Bierset.

    Standpunkt der Wallonischen Regierung

    A.3.2. Die Wallonische Regierung führt in ihrem Schriftsatz zunächst an, sie habe die Bestimmungen von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention eingehalten, die für den Staat die negative Verpflichtung enthalte, die durch diese Bestimmung zuerkannten Rechte nicht zu beeinträchtigen. In diesem Fall habe die Wallonische Regierung vielleicht die Rechte der Anwohner beeinträchtigt, doch gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sei ein Eingriff nicht ungerechtfertigt, insoweit er gesetzlich vorgesehen sei, die Massnahme notwendig sei und die Verletzung des Rechtes im Verhältnis zu dem Vorteil stehe, den die angefochtene Tätigkeit verleihe. In diesem Fall ergebe sich die Befugnis der Wallonischen Region aus Artikel 6 § 1 X Nr. 7 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen in der durch das Gesetz vom 8. August 1988 abgeänderten Fassung, wonach die Regionen zuständig seien für « die Ausrüstung und den Betrieb von Flughäfen und öffentlichen Flugplätzen ». Im übrigen seien die Mobiliar- und Immobiliargüter des Staates, sowohl des öffentlichen als auch des privaten Bereichs, die unter die regionale Zuständigkeit für Flughäfen und Flugplätze fielen, durch die Gesetze zur Reform der Institutionen auf die Wallonische Region übertragen worden. Auf dieser Grundlage habe die Wallonische Region am 4. Januar 1991 eine Vereinbarung über die...

Pour continuer la lecture

SOLLICITEZ VOTRE ESSAI

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT