Auszug aus dem Urteil Nr. 91/2010 vom 29. Juli 2010 Geschäftsverzeichnisnummer 4794 In Sachen : Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Ordonnanz der Region Brüssel-Hauptstadt vom 30. April 2009

Auszug aus dem Urteil Nr. 91/2010 vom 29. Juli 2010

Geschäftsverzeichnisnummer 4794

In Sachen : Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Ordonnanz der Region Brüssel-Hauptstadt vom 30. April 2009 « zur Einfügung eines Kapitels V in Titel III des Wohngesetzbuches bezüglich der Sanktionen im Falle leerstehender Wohnungen, zur Abänderung der Ordonnanz vom 12. Dezember 1991 zur Schaffung von Haushaltsfonds und zur Abänderung des Gerichtsgesetzbuches », erhoben von der VoG « Syndicat national des propriétaires et copropriétaires ».

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Vorsitzenden M. Melchior und M. Bossuyt, und den Richtern R. Henneuse, E. De Groot, L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, J. Spreutels, T. Merckx-Van Goey und P. Nihoul, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden M. Melchior,

verkündet nach Beratung folgendes Urteil:

  1. Gegenstand der Klage und Verfahren

    Mit einer Klageschrift, die dem Hof mit am 5. November 2009 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 6. November 2009 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob die VoG « Syndicat national des propriétaires et copropriétaires », mit Vereinigungssitz in 1000 Brüssel, rue de la Violette 43, Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Ordonnanz der Region Brüssel-Hauptstadt vom 30. April 2009 « zur Einfügung eines Kapitels V in Titel III des Wohngesetzbuches bezüglich der Sanktionen im Falle leerstehender Wohnungen, zur Abänderung der Ordonnanz vom 12. Dezember 1991 zur Schaffung von Haushaltsfonds und zur Abänderung des Gerichtsgesetzbuches » (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 8. Mai 2009, zweite Ausgabe).

    (...)

  2. In rechtlicher Beziehung

    (...)

    In Bezug auf die angefochtene Bestimmung

    B.1. Die Klage bezieht sich auf Artikel 2 der Ordonnanz vom 30. April 2009 « zur Einfügung eines Kapitels V in Titel III des Wohngesetzbuches bezüglich der Sanktionen im Falle leerstehender Wohnungen, zur Abänderung der Ordonnanz vom 12. Dezember 1991 zur Schaffung von Haushaltsfonds und zur Abänderung des Gerichtsgesetzbuches ». Mit dieser Bestimmung wird in das Brüsseler Wohngesetzbuch ein Artikel 23duodecies mit folgendem Wortlaut eingefügt:

    § 1. Der Eigentümer, Niessbraucher, Erbbauberechtigte oder Erbpächter des Gebäudes, der ein als Wohnung für einen oder mehrere Haushalte bestimmtes Gebäude oder einen Teil davon leerstehen lässt im Sinne von Artikel 18 §§ 2 und 3 dieses Gesetzbuches, begeht einen verwaltungsrechtlichen Verstoss.

    § 2. Die Regierung richtet innerhalb des Ministeriums der Region Brüssel-Hauptstadt eine Dienststelle ein, die damit beauftragt ist, die Einhaltung dieses Kapitels zu überwachen. Unbeschadet des Artikels 135 des neuen Gemeindegesetzes sind ihre Bediensteten befugt, die Ubertretungen im Sinne von § 1 zu ermitteln und durch Protokoll festzustellen, das bis zum Beweis des Gegenteils gilt. Sie tun dies aus eigener Initiative oder auf eine Klage des Bürgermeister- und Schöffenkollegiums oder von Vereinigungen hin, deren Ziel die Verteidigung des Rechtes auf Wohnung ist und die Rechtspersönlichkeit besitzen, vorausgesetzt, sie sind durch die Regierung nach den von ihr festgelegten Kriterien anerkannt. Sie können die Wohnung zwischen 8 und 20 Uhr besichtigen, nachdem den in § 1 erwähnten Personen per Einschreibebrief wenigstens eine Woche vor dem tatsächlichen Datum der Ortsbesichtigung eine vorherige Ankündigung zugesandt wurde.

    Eine Abschrift des Protokolls zur Feststellung der Ubertretung wird dem leitenden Beamten der Dienststelle übermittelt.

    § 3. Wenn eine solche Ubertretung festgestellt wird, wird dem mutmasslichen Urheber durch die in § 2 genannte Dienststelle eine Verwarnung zugesandt, in der er aufgefordert wird, ihr innerhalb von drei Monaten ein Ende zu setzen. Der Beweis der Einstellung der Ubertretung kann durch alle Rechtsmittel erbracht werden.

    Diese Verwarnung wird durch einen bei der Post aufgegebenen Einschreibebrief mit Rückschein notifiziert. Dieses Schreiben enthält folgende Angaben:

    a) die zur Last gelegte Tat und die übertretene Gesetzesbestimmung;

    b) die Frist, innerhalb deren die festgestellte Ubertretung eingestellt werden muss;

    c) die verhängte Verwaltungssanktion;

    d) die Mitteilung, dass bei etwaiger Nichtzahlung der auferlegten Geldbusse die Wohnung öffentlich verkauft werden kann;

    e) die Angaben und eine Kurzbeschreibung der Rolle des Informationszentrums für das Wohnungswesen;

    f) eine Kurzbeschreibung der Mechanismen des Rechtes öffentlicher Verwaltung und der Ubernahme der Verwaltung durch eine soziale Immobilienagentur im Sinne dieses Gesetzbuches.

    § 4. Die in § 1 vorgesehene Ubertretung wird mit einer administrativen Geldbusse in Höhe von 500 EUR je laufenden Meter der längsten Fassade, multipliziert mit der Anzahl der Stockwerke, mit Ausnahme der nicht ausgebauten Untergeschosse und Speicher, geahndet.

    Im Falle eines teilweise leerstehenden Gebäudes wird die Geldbusse berechnet, indem diejenige, die für das gesamte Gebäude geschuldet würde, durch die Zahl der Stockwerke, mit Ausnahme der nicht ausgebauten Untergeschosse und Speicher, geteilt und das Ergebnis mit der Anzahl leerstehender Stockwerke multipliziert wird.

    Jedes Jahr passt die Regierung die vorerwähnten Beträge dem Index an.

    Sofern der Ubertretende nicht beweist, dass der Leerstand unterbrochen wurde, wird der Betrag der Geldbusse mit der Anzahl Jahre multipliziert, in denen die Ubertretung ab dem Datum des Protokolls der ersten Feststellung begangen wurde.

    Die administrative Geldbusse wird auferlegt, nachdem der mutmassliche Urheber durch den leitenden Beamten der in § 2 genannten Dienststelle die Möglichkeit erhalten hat, seine Verteidigungsmittel vorzubringen.

    § 5. Die administrative Geldbusse muss innerhalb von sechzig Tagen ab der Notifizierung der Entscheidung gezahlt werden, unbeschadet jeglicher Beschwerde.

    Die Aufforderung zur Zahlung der administrativen Geldbusse verjährt fünf Jahre nach der Notifizierung der endgültigen Entscheidung. Die Verjährung wird auf die Weise und unter den Bedingungen unterbrochen, die in den Artikeln 2244 ff. des Zivilgesetzbuches vorgesehen sind.

    Das Ministerium der Region Brüssel-Hauptstadt ist damit beauftragt, durch Zwangsbefehl den Betrag der administrativen Geldbusse einzutreiben, die dem Ubertretenden durch Einschreibebrief mit Zahlungsaufforderung zugestellt wird.

    Die Zahlung der administrativen Geldbusse wird durch eine gesetzliche Hypothek auf die Wohnung, die Gegenstand der Ubertretung ist, zugunsten des Ministeriums der Region Brüssel-Hauptstadt garantiert. Diese Garantie erstreckt sich auf die Forderung, die sich aus dem Vorstrecken der Kosten für die Hypothekenformalitäten ergibt. Die Eintragung, die Erneuerung, die Herabsetzung und die vollständige oder teilweise Löschung erfolgen gemäss den Bestimmungen, die in der Hypothekengesetzgebung vorgesehen sind.

    Wenn der Ubertretende die Geldbusse nicht freiwillig zahlt, lässt das Ministerium der Region Brüssel-Hauptstadt die Wohnung, die Gegenstand der Ubertretung ist, öffentlich verkaufen, und dies vorrangig vor allen anderen Massnahmen der Zwangsvollstreckung.

    § 6. Durch Abgabe eines Antrags kann beim Gericht erster Instanz Beschwerde gegen die Entscheidung zur Auferlegung einer administrativen Geldbusse innerhalb von dreissig Tagen ab der Notifizierung der Entscheidung eingelegt werden.

    Die Bestimmung von Absatz 1 wird in der Entscheidung, mit der die administrative Geldbusse auferlegt wird, angegeben.

    Das Gericht muss innerhalb von drei Monaten nach der Hinterlegung des in Absatz 1 erwähnten Antrags entscheiden.

    § 7. Der Präsident des Gerichts erster Instanz, das wie im Eilverfahren urteilt, kann auf Antrag der Verwaltungsbehörden oder einer Vereinigung, deren Zweck die Verteidigung des Rechtes auf Wohnung ist und die Rechtspersönlichkeit besitzt, vorausgesetzt, sie wurde durch die Regierung nach den von ihr festgelegten Kriterien anerkannt, anordnen, dass der Eigentümer, Niessbraucher, Erbbauberechtigte oder Erbpächter der Wohnung alle sachdienlichen Massnahmen ergreift, um deren Bewohnen innerhalb einer angemessenen Frist zu gewährleisten.

    § 8. Fünf Prozent des Aufkommens der Geldbussen fliessen in den ' Fonds des Rechtes öffentlicher Verwaltung ', der durch die Ordonnanz vom 20. Juli 2006 zur Abänderung der Ordonnanz vom 12. Dezember 1991 zur Schaffung von Haushaltsfonds eingerichtet wurde. Fünfundachtzig Prozent dieses Aufkommens werden der Gemeinde zurückerstattet, auf deren Gebiet sich die leerstehende Wohnung befindet, vorausgesetzt, sie hat leerstehende Wohnung ausdrücklich vom Anwendungsbereich ihrer Steuerverordnung über aufgegebene, unbewohnte oder nicht fertiggestellte Wohnungen ausgeschlossen. Sie verwendet die Einnahmen für ihre...

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