Auszug aus dem Entscheid Nr. 141/2013 vom 30. Oktober 2013 Geschäftsverzeichnisnummern 5487 und 5497 In Sachen: Klagen auf Nichtigerklärung der Artikel 167

Auszug aus dem Entscheid Nr. 141/2013 vom 30. Oktober 2013

Geschäftsverzeichnisnummern 5487 und 5497

In Sachen: Klagen auf Nichtigerklärung der Artikel 167, 168 und 169 des Programmgesetzes (I) vom 29. März 2012 (Bekämpfung der Steuerhinterziehung), erhoben von Bart Van Nieuwenhuyse und anderen und von der VoG « Liga van belastingplichtigen ».

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten M. Bossuyt und J. Spreutels, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût und T. Giet, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten M. Bossuyt,

verkündet nach Beratung folgenden Entscheid:

  1. Gegenstand der Klagen und Verfahren

    1. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 28. September 2012 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 1. Oktober 2012 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 167, 168 und 169 des Programmgesetzes (I) vom 29. März 2012 (Bekämpfung der Steuerhinterziehung), veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 6. April 2012, dritte Ausgabe: Bart Van Nieuwenhuyse, wohnhaft in 9230 Wetteren, Meersstraat 22, Jozef Haustraete, wohnhaft in 9230 Wetteren, Korte Massemsesteenweg 58/33, Abdon Vande Maele, wohnhaft in 8780 Oostrozebeke, Meulebeeksesteenweg 39, Frank Van den Broecke, wohnhaft in 9260 Wichelen, Wetterensteenweg 15, Pascal Vande Velde, wohnhaft in 8570 Anzegem, Statiestraat 2, Filip Verbraeken, wohnhaft in 9170 Sint-Gillis-Waas, Kronenhoekstraat 25, Geert Cackebeke, wohnhaft in 9520 Bavegem, Kerkkouterstraat 16, Jan Adriaans, wohnhaft in 2440 Geel, Vogelzang 1a, Peter Defreyne, wohnhaft in 8870 Izegem, Gentsestraat 25, Griet Van den Bosch, wohnhaft in 9660 Brakel, Brusselsestraat 85, Ludo Van den Bossche, wohnhaft in 9041 Oostakker, Groenstraat 109, William Breen, wohnhaft in 9000 Gent, Gerststraat 15, die « Fiscaliteit, Boekhouding en Adviesverlening » Gen., mit Sitz in 9230 Wetteren, Meersstraat 22, und die « Audit Decrad » oHG, mit Sitz in 9230 Wetteren, Korte Massemsesteenweg 58/31.

    2. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 5. Oktober 2012 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 8. Oktober 2012 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob die VoG « Liga van belastingplichtigen », mit Sitz in 1000 Brüssel, Lensstraat 13, Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 167 und 168 des Programmgesetzes (I) vom 29. März 2012 (Bekämpfung der Steuerhinterziehung), veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 6. April 2012, dritte Ausgabe.

    Diese unter den Nummern 5487 und 5497 ins Geschäftsverzeichnis des Hofes eingetragenen Rechtssachen wurden verbunden.

    (...)

  2. Rechtliche Würdigung

    (...)

    In Bezug auf die angefochtenen Bestimmungen und deren Kontext

    B.1.1. Die Nichtigkeitsklagen beziehen sich auf die Artikel 167, 168 und 169 des Programmgesetzes (I) vom 29. März 2012; diese sind in Kapitel 3 (« Bekämpfung der Steuerhinterziehung ») von Titel 9 (« Finanzen ») enthalten und bestimmen:

    Art. 167. Artikel 344 § 1 [des Einkommensteuergesetzbuches 1992], ersetzt durch das Gesetz vom 28. Juli 1992 und abgeändert durch das Gesetz vom 22. Juli 1993, wird wie folgt ersetzt:

    ' § 1. Der Verwaltung kann weder die Rechtshandlung noch eine ein selbes Geschäft bewirkende Gesamtheit von Rechtshandlungen entgegengehalten werden, wenn die Verwaltung aufgrund von Vermutungen oder anderen in Artikel 340 erwähnten Beweismitteln und anhand objektiver Umstände nachweist, dass Steuermissbrauch vorliegt.

    Steuermissbrauch liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger durch die Rechtshandlung oder die Gesamtheit von Rechtshandlungen, die er vornimmt, eines der folgenden Geschäfte bewirkt:

    1. ein Geschäft, durch das er gegen die Zielsetzungen einer Bestimmung des vorliegenden Gesetzbuches oder seiner Ausführungserlasse außerhalb des Geltungsbereichs dieser Bestimmung verstößt, oder

    2. ein Geschäft, durch das er auf einen Steuervorteil Anspruch erhebt, der in einer Bestimmung des vorliegenden Gesetzbuches oder seiner Ausführungserlasse vorgesehen ist und dessen Bewilligung im Widerspruch zu den Zielsetzungen dieser Bestimmung stehen würde, und das im Wesentlichen auf den Erhalt dieses Vorteils abzielt.

    Es obliegt dem Steuerpflichtigen nachzuweisen, dass die Wahl dieser Rechtshandlung oder dieser Gesamtheit von Rechtshandlungen durch andere Gründe gerechtfertigt ist als dem Willen, Einkommensteuern zu umgehen.

    Liefert der Steuerpflichtige keinen Gegenbeweis, werden Besteuerungsgrundlage und Steuerberechnung derart wiederhergestellt, dass das Geschäft Gegenstand einer Steuererhebung gemäß der Zielsetzung des Gesetzes wird, als ob der Missbrauch nicht stattgefunden hätte. '

    Art. 168. In Artikel 18 des Registrierungs-, Hypotheken- und Kanzleigebührengesetzbuches, abgeändert durch die Gesetze vom 30. März 1994 und 24. Dezember 2002, wird § 2 wie folgt ersetzt:

    ' § 2. Der Verwaltung kann weder die Rechtshandlung noch eine ein selbes Geschäft bewirkende Gesamtheit von Rechtshandlungen entgegengehalten werden, wenn die Verwaltung aufgrund von Vermutungen oder anderen in Artikel 185 erwähnten Beweismitteln und anhand objektiver Umstände nachweist, dass Steuermissbrauch vorliegt.

    Steuermissbrauch liegt vor, wenn ein Steuerschuldner durch die Rechtshandlung oder die Gesamtheit von Rechtshandlungen, die er vornimmt, eines der folgenden Geschäfte bewirkt:

    1. ein Geschäft, durch das er gegen die Zielsetzungen einer Bestimmung des vorliegenden Gesetzbuches oder seiner Ausführungserlasse außerhalb des Geltungsbereichs dieser Bestimmung verstößt, oder

    2. ein Geschäft, durch das er auf einen Steuervorteil Anspruch erhebt, der in einer Bestimmung des vorliegenden Gesetzbuches oder seiner Ausführungserlasse vorgesehen ist und dessen Bewilligung im Widerspruch zu den Zielsetzungen dieser Bestimmung stehen würde, und das im Wesentlichen auf den Erhalt dieses Vorteils abzielt.

    Es obliegt dem Steuerschuldner nachzuweisen, dass die Wahl dieser Rechtshandlung oder dieser Gesamtheit von Rechtshandlungen durch andere Gründe gerechtfertigt ist als dem Willen, Registrierungsgebühren zu umgehen.

    Liefert der Steuerschuldner keinen Gegenbeweis, wird das Geschäft Gegenstand einer Steuererhebung gemäß der Zielsetzung des Gesetzes, als ob der Missbrauch nicht stattgefunden hätte. '

    Art. 169. Artikel 167 ist ab dem Steuerjahr 2013 anwendbar wie auch auf Rechtshandlungen oder eine Gesamtheit von Rechtshandlungen, die in einem Besteuerungszeitraum vorgenommen werden, der frühestens am Datum der Veröffentlichung des vorliegenden Gesetzes im Belgischen Staatsblatt endet und an das Steuerjahr 2012 gebunden ist. Ab dem 28. November 2011 am Datum des Jahresabschlusses angebrachte Änderungen haben keine Auswirkung auf die Anwendung der in Artikel 167 erwähnten Bestimmungen.

    Artikel 168 ist auf Rechtshandlungen oder auf eine ein selbes Geschäft bewirkende Gesamtheit von Rechtshandlungen anwendbar, die ab dem ersten Tag des zweiten Monats nach dem Monat der Veröffentlichung des vorliegenden Gesetzes im Belgischen Staatsblatt vorgenommen werden

    .

    B.1.2. Die angefochtenen Artikel 167 und 168 führen eine neue « Missbrauchsbekämpfungsbestimmung » ein, sowohl auf Ebene der Einkommensteuern (Artikel 344 § 1 des Einkommensteuergesetzbuches 1992 (nachstehend: EStGB 1992)) als auch auf Ebene der Registrierungsgebühren (Artikel 18 § 2 des Registrierungs-, Hypotheken- und Kanzleigebührengesetzbuches). Die Missbrauchsbekämpfungsbestimmung findet ebenfalls Anwendung auf die Erbschaftssteuern, da aufgrund von Artikel 106 Absatz 2 des Erbschaftssteuergesetzbuches Paragraph 2 von Artikel 18 des Registrierungs-, Hypotheken- und Kanzleigebührengesetzbuches mutatis mutandis anwendbar ist.

    B.2.1. Die neue, in Artikel 344 § 1 des EStGB 1992 vorgesehene Missbrauchsbekämpfungsbestimmung wurde in den Vorarbeiten durch die Feststellung gerechtfertigt, dass die vorherige Bestimmung nicht wirksam durch die Verwaltung angewandt werden konnte, insbesondere angesichts der Rechtsprechung des Kassationshofes.

    Um den früheren Artikel 344 § 1 anwenden zu können, musste die Verwaltung nachweisen, dass der Steuerpflichtige mit der von ihm angewandten rechtlichen Qualifizierung beabsichtigte, Steuern zu umgehen. Aus dem vom Steuerpflichtigen zu erbringenden Gegenbeweis, der in dem Nachweis rechtmäßiger finanzieller oder wirtschaftlicher Bedürfnisse bestand, ging hervor, dass auch andere nichtsteuerliche Gründe für die rechtliche Qualifizierung vorliegen mussten. Wenn der Steuerpflichtige nicht in der Lage war, diesen Gegenbeweis zu erbringen, konnte die Verwaltung eine Neuqualifizierung vornehmen, doch nach Auffassung des Kassationshofes musste diese Neuqualifizierung ähnliche Rechtsfolgen haben wie die ursprüngliche Rechtshandlung oder die ursprünglichen Rechtshandlungen. Im Ubrigen konnte nur die Qualifizierung der Rechtshandlung der Verwaltung nicht entgegengehalten werden, und somit nicht die Rechtshandlung selbst. Daher wurde allgemein davon ausgegangen, dass es praktisch unmöglich war, bei einer Neuqualifizierung zu ähnlichen Rechtsfolgen zu gelangen, wenn das Geschäft anhand einer einzigen Handlung zustande gekommen war. Einer einzigen Handlung kann man nämlich selten mehr als eine einzige Qualifizierung verleihen. Der frühere Artikel 344 § 1 konnte also nicht angewandt werden, wenn die Rechtsfolgen der durch die Verwaltung an die Stelle gesetzten Rechtshandlung sich von denjenigen der Rechtshandlung des Steuerpflichtigen unterschieden. Dieser Artikel konnte jedoch nur angewandt werden, um eine Gesamtheit von getrennten oder aufeinander folgenden Handlungen, die künstlich aufgeteilt wurden, zu einem einzigen Geschäft neu zu definieren, das die Parteien in Wirklichkeit bewirkt hatten (Parl. Dok., Kammer, 2011-2012, DOC 53-2081/001, SS. 109-110).

    B.2.2. Bei der Einführung der neuen Missbrauchsbekämpfungsbestimmung wurde ebenfalls die Rechtsprechung des Gerichtshofes der...

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