Auszug aus dem Entscheid Nr. 45/2021 vom 11. März 2021 Geschäftsverzeichnisnummer 7480 In Sachen: Klage auf teilweise einstweilige Aufhebung des Dekrets der Wallonischen Region vom 1. Oktober 2020 «

Auszug aus dem Entscheid Nr. 45/2021 vom 11. März 2021

Geschäftsverzeichnisnummer 7480

In Sachen: Klage auf teilweise einstweilige Aufhebung des Dekrets der Wallonischen Region vom 1. Oktober 2020 « zur Abänderung des Dekrets vom 6. Mai 1999 über die Festsetzung, die Beitreibung und die Streitsachen bezüglich der wallonischen regionalen Abgaben zwecks der Umsetzung der Richtlinie 2018/822/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen », erhoben von der faktischen Vereinigung « Belgian Association of Tax Lawyers » und anderen.

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten F. Daoût und L. Lavrysen, und den Richtern J.-P. Moerman, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, T. Giet, R. Leysen, J. Moerman, Y. Kherbache und T. Detienne, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten F. Daoût,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

  1. Gegenstand der Klage und Verfahren

    Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 11. Dezember 2020 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 15. Dezember 2020 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf teilweise einstweilige Aufhebung des Dekrets der Wallonischen Region vom 1. Oktober 2020 « zur Abänderung des Dekrets vom 6. Mai 1999 über die Festsetzung, die Beitreibung und die Streitsachen bezüglich der wallonischen regionalen Abgaben zwecks der Umsetzung der Richtlinie 2018/822/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen » (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 20. Oktober 2020): die faktische Vereinigung « Belgian Association of Tax Lawyers », Paul Verhaeghe und Gerd Goyvaerts, unterstützt und vertreten durch RA P. Malherbe, in Brüssel zugelassen.

    Mit derselben Klageschrift beantragen die klagenden Parteien ebenfalls die völlige oder teilweise Nichtigerklärung desselben Dekrets.

    (...)

  2. Rechtliche Würdigung

    (...)

    In Bezug auf die angefochtenen Bestimmungen

    B.1.1. Die klagenden Parteien beantragen die Nichtigerklärung des Dekrets der Wallonischen Region vom 1. Oktober 2020 « zur Abänderung des Dekrets vom 6. Mai 1999 über die Festsetzung, die Beitreibung und die Streitsachen bezüglich der wallonischen regionalen Abgaben zwecks der Umsetzung der Richtlinie 2018/822/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen » (nachstehend: Dekret vom 1. Oktober 2020). Sie beantragen ebenfalls die einstweilige Aufhebung der Artikel 2, 3, 5 und 8 dieses Dekrets.

    Dieses Dekret setzt die Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25. Mai 2018 « zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen » (nachstehend: Richtlinie (EU) 2018/822) um. Aus dem zweiten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt sich, dass diese sich im Rahmen der Bemühungen der Europäischen Union bewegt, Steuertransparenz auf Unionsebene zu berücksichtigen:

    Für die Mitgliedstaaten wird es immer schwieriger, ihre nationalen Steuerbemessungsgrundlagen gegen Aushöhlung zu schützen, da die Steuerplanungsstrukturen immer ausgefeilter werden und sich häufig die höhere Mobilität von Kapital und Personen im Binnenmarkt zunutze machen. Derartige Strukturen umfassen häufig Gestaltungen, die für mehrere Hoheitsgebiete gemeinsam entwickelt werden und durch die steuerpflichtige Gewinne in Staaten mit vorteilhafteren Steuersystemen verlagert werden oder die eine Verringerung der Gesamtsteuerbelastung der Steuerpflichtigen bewirken. Infolgedessen kommt es häufig zu einem beträchtlichen Rückgang der Steuereinnahmen in den Mitgliedstaaten, was diese wiederum daran hindert, eine wachstumsfreundliche Steuerpolitik zu verfolgen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Steuerbehörden der Mitgliedstaaten umfassende und relevante Informationen über potenziell aggressive Steuergestaltungen erhalten. Diese Informationen würden die Behörden in die Lage versetzen, zeitnah gegen schädliche Steuerpraktiken vorzugehen und Schlupflöcher durch den Erlass von Rechtsvorschriften oder durch die Durchführung geeigneter Risikoabschätzungen sowie durch Steuerprüfungen zu schließen

    .

    Konkret müssen die Mitgliedstaaten eine zuständige Behörde benennen, die für den Austausch notwendiger Informationen über aggressive Steuergestaltungen zwischen den Mitgliedstaaten verantwortlich ist. Damit die zuständigen Behörden über diese Informationen verfügen können, führt die Richtlinie eine Meldepflicht für potenzielle aggressive grenzüberschreitende Steuergestaltungen ein.

    B.1.2. Die Meldepflicht trifft in erster Linie die sogenannten Intermediäre, die normalerweise an der Umsetzung solcher Gestaltungen beteiligt sind. Wenn jedoch solche Intermediäre fehlen oder sie sich auf eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht berufen können, trifft die Meldepflicht den Steuerpflichtigen:

    (6) Die Meldung potenziell aggressiver grenzüberschreitender Steuerplanungsgestaltungen kann die Bemühungen zur Schaffung einer gerechten Besteuerung im Binnenmarkt nachhaltig unterstützen. Hier würde die Verpflichtung der Intermediäre, die Steuerbehörden über bestimmte grenzüberschreitende Gestaltungen zu informieren, die möglicherweise für aggressive Steuerplanung genutzt werden könnten, einen Schritt in die richtige Richtung darstellen. [...]

    [...]

    (8) Um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und Schlupflöcher in den vorgeschlagenen Rahmenvorschriften zu vermeiden, sollten alle Akteure, die normalerweise an der Konzeption, Vermarktung, Organisation oder Verwaltung der Umsetzung einer meldepflichtigen grenzüberschreitenden Transaktion oder einer Reihe solcher Transaktionen beteiligt sind, sowie alle, die Unterstützung oder Beratung leisten, zur Meldung verpflichtet sein. Es darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass in bestimmten Fällen die Meldepflicht eines Intermediärs aufgrund einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht nicht durchsetzbar ist oder gar kein Intermediär vorhanden ist, weil beispielsweise der Steuerpflichtige eine Steuerplanungsgestaltung selbst konzipiert und umsetzt. Es wäre äußerst wichtig, dass die Steuerbehörden in solchen Fällen weiterhin die Möglichkeit haben, Informationen über Steuergestaltungen zu erhalten, die potenziell mit aggressiver Steuerplanung verbunden sind. Hierfür müsste die Meldepflicht auf den Steuerpflichtigen verlagert werden, der in diesen Fällen von der Gestaltung profitiert

    (Erwägungsgründe 6-8).

    B.1.3. Zur Umsetzung dieser Meldepflicht in der Wallonischen Region führt das Dekret vom 1. Oktober 2020 einige Abänderungen am Dekret den Wallonischen Region vom 6. Mai 1999 « über die Festsetzung, die Beitreibung und die Streitsachen bezüglich der wallonischen regionalen Abgaben » (nachstehend: Dekret vom 6. Mai 1999) durch.

    Durch Artikel 3 des angefochtenen Dekrets werden in Artikel 64bis des Dekrets vom 6. Mai 1999 mehrere Definitionen eingeführt:

    19° 'grenzüberschreitende Gestaltungen': eine Gestaltung, die entweder mehr als einen Mitgliedstaat oder einen Mitgliedstaat und ein Drittland betrifft, wobei mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

    a) nicht alle an der Gestaltung Beteiligten sind im selben Hoheitsgebiet steuerlich ansässig;

    b) einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten ist/sind gleichzeitig in mehreren Hoheitsgebieten steuerlich ansässig;

    c) einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten übt/üben in einem anderen Hoheitsgebiet über eine dort gelegene Betriebsstätte eine Geschäftstätigkeit aus, und die Gestaltung stellt teilweise oder ganz die durch die Betriebsstätte ausgeübte Geschäftstätigkeit dar;

    d) einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten übt/üben in einem anderen Hoheitsgebiet eine Tätigkeit aus, ohne dort steuerlich ansässig zu sein oder eine Betriebsstätte zu begründen;

    e) eine solche Gestaltung hat möglicherweise Auswirkungen auf den automatischen Informationsaustausch oder die Identifizierung der wirtschaftlichen Eigentümer.

    Für die Zwecke der Ziffern 19 bis 26 von § 2 und des Artikels 64quinquies/2 kann es sich bei einer Gestaltung auch um eine Reihe von Gestaltungen handeln. Eine Gestaltung kann mehr als einen Schritt oder Teil umfassen;

    20° 'meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung': jede grenzüberschreitende Gestaltung, die mindestens eines der Kennzeichen aufweist;

    21° 'Kennzeichen': ein Merkmal oder eine Eigenschaft einer grenzüberschreitenden Gestaltung gemäß Paragraf 2, das bzw. die auf ein potenzielles Risiko der Steuervermeidung hindeutet;

    22° 'Intermediär': jede Person, die eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung konzipiert, vermarktet, organisiert oder zur Umsetzung bereitstellt oder die die Umsetzung einer solchen Gestaltung verwaltet.

    Dieser Ausdruck bezeichnet auch jede Person, die - unter Berücksichtigung der relevanten Fakten und Umstände und auf der Grundlage der verfügbaren Informationen sowie des einschlägigen Fachwissens und Verständnisses, die für die Erbringung solcher Dienstleistungen erforderlich sind, - weiß oder vernünftigerweise wissen müsste, dass sie unmittelbar oder über andere Personen Hilfe, Unterstützung oder Beratung im Hinblick auf Konzeption, Vermarktung, Organisation, Bereitstellung zur Umsetzung oder Verwaltung der Umsetzung einer meldepflichtigen grenzüberschreitenden Gestaltung geleistet hat. Jede Person hat das Recht, Beweise zu erbringen, wonach sie nicht wusste oder vernünftigerweise nicht wissen konnte, dass sie an einer meldepflichtigen grenzüberschreitenden Gestaltung beteiligt war. Die betreffende Person kann zu diesem Zweck alle relevanten Fakten und Umstände sowie verfügbaren Informationen und ihr einschlägiges Fachwissen und Verständnis...

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