Auszug aus dem Entscheid Nr. 167/2020 vom 17. Dezember 2020 Geschäftsverzeichnisnummern 7429 und 7443 In Sachen: Klagen auf völlige oder teilweise einstweilige Aufhebung des flämischen Dekrets vom

Auszug aus dem Entscheid Nr. 167/2020 vom 17. Dezember 2020

Geschäftsverzeichnisnummern 7429 und 7443

In Sachen: Klagen auf völlige oder teilweise einstweilige Aufhebung des flämischen Dekrets vom 26. Juni 2020 « zur Abänderung des Dekrets vom 21. Juni 2013 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen », erhoben von der Kammer der flämischen Rechtsanwaltschaften und Alain Claes und von der faktischen Vereinigung « Belgian Association of Tax Lawyers » und anderen.

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten L. Lavrysen und F. Daoût, und den Richtern J.-P. Moerman, P. Nihoul, R. Leysen, J. Moerman und Y. Kherbache, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten L. Lavrysen,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

  1. Gegenstand der Klagen und Verfahren

    1. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 31. August 2020 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 1. September 2020 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf einstweilige Aufhebung des flämischen Dekrets vom 26. Juni 2020 « zur Abänderung des Dekrets vom 21. Juni 2013 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen » (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 3. Juli 2020): die Kammer der flämischen Rechtsanwaltschaften und Alain Claes, unterstützt und vertreten durch RA P. Wouters, beim Kassationshof zugelassen.

    2. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 1. Oktober 2020 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 2. Oktober 2020 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf teilweise einstweilige Aufhebung desselben Dekrets: die faktische Vereinigung « Belgian Association of Tax Lawyers », Paul Verhaeghe und Gerd Goyvaerts, unterstützt und vertreten durch RA P. Malherbe, in Brüssel zugelassen.

    Mit denselben Klageschriften beantragen die klagenden Parteien ebenfalls die völlige oder teilweise Nichtigerklärung desselben Dekrets.

    Diese unter den Nummern 7429 und 7443 ins Geschäftsverzeichnis des Gerichtshofes eingetragenen Rechtssachen wurden verbunden.

    (...)

  2. Rechtliche Würdigung

    (...)

    In Bezug auf die angefochtenen Bestimmungen

    B.1.1. Die klagenden Parteien in der Rechtssache Nr. 7429 beantragen die einstweilige Aufhebung und die Nichtigerklärung der Artikel 1 bis 30 des flämischen Dekrets vom 26. Juni 2020 « zur Abänderung des Dekrets vom 21. Juni 2013 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen » (nachstehend: Dekret vom 26. Juni 2020). Die klagenden Parteien in der Rechtssache Nr. 7443 beantragen die einstweilige Aufhebung und die Nichtigerklärung der Artikel 5 Nr. 2 Ziffern 19 bis 23, 11, 12, 14, 15, 17, 18, 23 und 29 desselben Dekrets.

    Dieses Dekret setzt die Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25. Mai 2018 « zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen » (nachstehend: Richtlinie (EU) 2018/822) um. Aus dem zweiten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt sich, dass diese sich im Rahmen der Bemühungen der Europäischen Union bewegt, Steuertransparenz auf Unionsebene zu berücksichtigen:

    Für die Mitgliedstaaten wird es immer schwieriger, ihre nationalen Steuerbemessungsgrundlagen gegen Aushöhlung zu schützen, da die Steuerplanungsstrukturen immer ausgefeilter werden und sich häufig die höhere Mobilität von Kapital und Personen im Binnenmarkt zunutze machen. Derartige Strukturen umfassen häufig Gestaltungen, die für mehrere Hoheitsgebiete gemeinsam entwickelt werden und durch die steuerpflichtige Gewinne in Staaten mit vorteilhafteren Steuersystemen verlagert werden oder die eine Verringerung der Gesamtsteuerbelastung der Steuerpflichtigen bewirken. Infolgedessen kommt es häufig zu einem beträchtlichen Rückgang der Steuereinnahmen in den Mitgliedstaaten, was diese wiederum daran hindert, eine wachstumsfreundliche Steuerpolitik zu verfolgen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Steuerbehörden der Mitgliedstaaten umfassende und relevante Informationen über potenziell aggressive Steuergestaltungen erhalten. Diese Informationen würden die Behörden in die Lage versetzen, zeitnah gegen schädliche Steuerpraktiken vorzugehen und Schlupflöcher durch den Erlass von Rechtsvorschriften oder durch die Durchführung geeigneter Risikoabschätzungen sowie durch Steuerprüfungen zu schließen

    .

    Konkret müssen die Mitgliedstaaten eine zuständige Behörde benennen, die für den Austausch notwendiger Informationen über aggressive Steuergestaltungen zwischen den Mitgliedstaaten verantwortlich ist. Damit die zuständigen Behörden über diese Informationen verfügen können, führt die Richtlinie eine Meldepflicht für potenzielle aggressive grenzüberschreitende Steuergestaltungen ein.

    B.1.2. Die Meldepflicht trifft in erster Linie die sogenannten Intermediäre, die normalerweise an der Umsetzung solcher Gestaltungen beteiligt sind. Wenn jedoch solche Intermediäre fehlen oder sie sich auf eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht berufen können, trifft die Meldepflicht den Steuerpflichtigen:

    (6) Die Meldung potenziell aggressiver grenzüberschreitender Steuerplanungsgestaltungen kann die Bemühungen zur Schaffung einer gerechten Besteuerung im Binnenmarkt nachhaltig unterstützen. Hier würde die Verpflichtung der Intermediäre, die Steuerbehörden über bestimmte grenzüberschreitende Gestaltungen zu informieren, die möglicherweise für aggressive Steuerplanung genutzt werden könnten, einen Schritt in die richtige Richtung darstellen [...]

    [...]

    (8) Um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und Schlupflöcher in den vorgeschlagenen Rahmenvorschriften zu vermeiden, sollten alle Akteure, die normalerweise an der Konzeption, Vermarktung, Organisation oder Verwaltung der Umsetzung einer meldepflichtigen grenzüberschreitenden Transaktion oder einer Reihe solcher Transaktionen beteiligt sind, sowie alle, die Unterstützung oder Beratung leisten, zur Meldung verpflichtet sein. Es darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass in bestimmten Fällen die Meldepflicht eines Intermediärs aufgrund einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht nicht durchsetzbar ist oder gar kein Intermediär vorhanden ist, weil beispielsweise der Steuerpflichtige eine Steuerplanungsgestaltung selbst konzipiert und umsetzt. Es wäre äußerst wichtig, dass die Steuerbehörden in solchen Fällen weiterhin die Möglichkeit haben, Informationen über Steuergestaltungen zu erhalten, die potenziell mit aggressiver Steuerplanung verbunden sind. Hierfür müsste die Meldepflicht auf den Steuerpflichtigen verlagert werden, der in diesen Fällen von der Gestaltung profitiert

    (Erwägungsgründe 6-8).

    B.1.3. Zur Umsetzung dieser Meldepflicht in der Flämischen Region führt das Dekret vom 26. Juni 2020 einige Abänderungen am Dekret vom 21. Juni 2013 « über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung » (nachstehend: Dekret vom 21. Juni 2013) durch.

    Durch Artikel 5 Nr. 2 des angefochtenen Dekrets werden in Artikel 5 des Dekrets vom 21. Juni 2013 einige Definitionen eingeführt:

    17° dispositif transfrontières : un dispositif concernant plusieurs Etats membres ou un Etat membre et un pays tiers si l'une au moins des conditions suivantes est remplie :

    a) tous les participants au dispositif ne sont pas résidents à des fins fiscales dans la même juridiction;

    b) un ou plusieurs des participants au dispositif sont résidents à des fins fiscales dans plusieurs juridictions simultanément;

    c) un ou plusieurs des participants au dispositif exercent une activité dans une autre juridiction par l'intermédiaire d'un établissement stable situé dans cette juridiction, le dispositif constituant une partie ou la totalité de l'activité de cet établissement stable;

    d) un ou plusieurs des participants au dispositif exercent une activité dans une autre juridiction sans être résidents à des fins fiscales ni créer d'établissement stable dans cette juridiction;

    e) un tel dispositif peut avoir des conséquences sur l'échange automatique d'informations ou sur l'identification des bénéficiaires effectifs;

    18° dispositif transfrontière devant faire l'objet d'une déclaration : tout dispositif transfrontière comportant au moins l'un des marqueurs figurant à l'article 5/1;

    19° marqueur : une caractéristique ou particularité d'un dispositif transfrontière qui indique un risque potentiel d'évasion fiscale, comme recensée à l'article 5/1;

    20° intermédiaire : toute personne qui conçoit, commercialise ou organise un dispositif transfrontière devant faire l'objet d'une déclaration, le met à disposition aux fins de sa mise en oeuvre ou en gère la mise en oeuvre.

    On entend également par ' intermédiaire ' toute personne qui, compte tenu des faits et circonstances pertinents et sur la base des informations disponibles ainsi que de l'expertise en la matière et de la compréhension qui sont nécessaires pour fournir de tels services, sait ou pourrait raisonnablement être censée savoir qu'elle s'est engagée à fournir, directement ou par l'intermédiaire d'autres personnes, une aide, une assistance ou des conseils concernant la conception, la commercialisation ou l'organisation d'un dispositif transfrontière devant faire l'objet d'une déclaration, ou concernant sa mise à disposition aux fins de mise en oeuvre ou la gestion de sa mise en oeuvre. Toute personne a le droit de fournir des éléments prouvant qu'elle ne savait...

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