Auszug aus dem Entscheid Nr. 39/2020 vom 12. März 2020 Geschäftsverzeichnisnummer 6919 In Sachen: Klage auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes vom 18. Oktober 2017 « über das

Auszug aus dem Entscheid Nr. 39/2020 vom 12. März 2020

Geschäftsverzeichnisnummer 6919

In Sachen: Klage auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes vom 18. Oktober 2017 « über das unrechtmäßige Eindringen in, das unrechtmäßige Besetzen von oder den unrechtmäßigen Aufenthalt in einem fremden Gut », erhoben von der VoG « Woningen 123 Logements » und anderen.

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten F. Daoût und A. Alen, und den Richtern L. Lavrysen, J.-P. Moerman, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, T. Giet, R. Leysen, J. Moerman und M. Pâques, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten F. Daoût,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

  1. Gegenstand der Klage und Verfahren

    Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 3. Mai 2018 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 4. Mai 2018 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf völlige oder teilweise (Artikel 3, 7 teilweise, 9 teilweise und 12) Nichtigerklärung des Gesetzes vom 18. Oktober 2017 « über das unrechtmäßige Eindringen in, das unrechtmäßige Besetzen von oder den unrechtmäßigen Aufenthalt in einem fremden Gut » (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 6. November 2017): die VoG « Woningen 123 Logements », die VoG « Toestand », die VoG « Communa », die VoG « Collectif auQuai », die VoG « La Clef », die VoG « La Maison à Bruxelles », die VoG « Vlaams Huurdersplatform », die VoG « Fédération Bruxelloise de l'Union pour le Logement », die VoG « Rassemblement bruxellois pour le Droit à l'Habitat / Brusselse Bond voor het Recht op Wonen », die VoG « Solidarités Nouvelles », die VoG « Habiter Bruxelles », die VoG « Front commun SDF / Gemeenschappelijk Daklozenfront », die VoG « L'association de Défense des Allocataires Sociaux », die VoG « Brussels Platform Armoede », die VoG « Vlaams Netwerk van verenigingen waar armen het woord nemen », die VoG « Samenlevingsopbouw Brussel », die VoG « Réseau wallon de lutte contre la pauvreté », die VoG « Ligue des Droits de l'Homme », die VoG « Liga voor Mensenrechten », die VoG « Chez Nous - Bij Ons », die VoG « Réseau Belge de lutte contre la pauvreté », der « Allgemeine Belgische Gewerkschaftsbund », Victor Brevière, Léone Dethier, Cornelia Guerrero Vargas, Joseph Jelle, Rémy Meister, Lisa Smessaert, Hannes Van Huyck, Ben Van der Bauwhede, Seppe Vleminckx, Lisa Deceuninck, Wiepke Boogaerts, Dylan Lebacq, Yves Wathelet, Grégory Robert, Eric Collard und Loïc Decamp, unterstützt und vertreten durch RA V. Letellier, in Brüssel zugelassen.

    (...)

  2. Rechtliche Würdigung

    (...)

    In Bezug auf den Gegenstand der Klage

    B.1.1. Die Klage richtet sich gegen das Gesetz vom 18. Oktober 2017 « über das unrechtmäßige Eindringen in, das unrechtmäßige Besetzen von oder den unrechtmäßigen Aufenthalt in einem fremden Gut » (nachstehend: (nachstehend: « angefochtenes Gesetz »). Mit dem ersten Klagegrund, der aus einem Verstoß gegen die Regeln der Zuständigkeitsverteilung abgeleitet ist, beantragen die klagenden Parteien die Nichtigerklärung des Gesetzes insgesamt. Die anderen Klagegründe betreffen die Artikel 3, 7, 9 und 12 des Gesetzes.

    B.1.2. In der Begründung des Gesetzesvorschlags, der dem angefochtenen Gesetz zugrunde liegt, heißt es:

    L'occupation d'immeubles vides par des squatteurs, qui violent ainsi le droit de propriété et minent de la sorte les fondements d'une cohabitation harmonieuse, est un problème récurrent dans notre société. Le squattage peut dès lors être défini comme l'occupation d'un immeuble non utilisé sans l'autorisation de l'ayant droit et sans avoir aucun droit à l'égard du bien.

    Si les pouvoirs publics ont un rôle important à jouer dans la lutte contre l'inoccupation, il n'est en aucun cas acceptable que des propriétés non utilisées de citoyens soient la proie de squatteurs qui foulent aux pieds le droit de propriété et peuvent ensuite, sur le plan juridique, invoquer l'inviolabilité du domicile.

    [...]

    L'objectif de la présente proposition de loi est de donner davantage de moyens aux ayants droit, aux pouvoirs locaux et à la police pour qu'ils puissent réellement agir contre ces atteintes flagrantes au droit de propriété

    (Parl. Dok., Kammer, 2016-2017, DOC 54-1008/001, SS. 3-4).

    B.1.3. Das angefochtene Gesetz enthält strafrechtliche und zivilrechtliche Bestimmungen.

    Strafrechtlich ändert es Artikel 439 des Strafgesetzbuches, der sich nur auf den Umstand bezog, in eine bewohnte Unterkunft eingedrungen zu sein, indem sein Anwendungsbereich auf das Besetzen und den Aufenthalt in einer bewohnten Unterkunft ohne die Erlaubnis der Bewohner erweitert wurde (Artikel 2). Es stellt sodann den Umstand, in « ein Haus, ein Appartement, ein Zimmer oder eine Unterkunft eines anderen, die nicht bewohnt werden, oder in dazugehörige Teile oder in irgendeine nicht bewohnte Räumlichkeit oder ein nicht bewohntes bewegliches Gut eines anderen, das als Unterkunft dienen kann oder nicht » einzudringen und diesen Ort zu besetzen oder sich darin aufzuhalten, unter Strafe (Artikel 442/1 § 1 des Strafgesetzbuches, eingefügt durch Artikel 3 des angefochtenen Gesetzes). In den in dieser letzten Bestimmung erwähnten Fällen ermächtigt es den Prokurator des Königs, « auf Antrag des Inhabers eines Anspruchs oder Rechtstitels auf das betreffende Gut » anzuordnen, das Gut zu « räumen » (Artikel 12 des angefochtenen Gesetzes). Schließlich stellt es den Umstand, der Räumungsverfügung oder dem Urteil eines Friedensrichters, mit dem die Räumung angeordnet wird, nicht Folge zu leisten, unter Strafe (Artikel 442/1 § 2 des Strafgesetzbuches, eingefügt durch Artikel 3 des angefochtenen Gesetzes).

    Zivilrechtlich fügt das angefochtene Gesetz neue Bestimmungen bezüglich der Räumung von ohne Anspruch oder Rechtstitel besetzten Orten in das Gerichtsgesetzbuch ein (Teil IV Buch IV Kapitel XVter des Gerichtsgesetzbuches, eingefügt durch die Artikel 6 bis 11 des angefochtenen Gesetzes).

    In Bezug auf die Zuständigkeit des föderalen Gesetzgebers (erster Klagegrund)

    B.2. In ihrem ersten Klagegrund führen die klagenden Parteien an, dass das angefochtene Gesetz insgesamt gegen Artikel 39 der Verfassung und Artikel 6 § 1 IV des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen verstoße. Sie bemängeln, dass mit dem angefochtenen Gesetz einerseits besondere Wohnsituationen, nämlich diejenigen, die nicht von einer vorherigen Erlaubnis abgedeckt seien, geregelt würden und andererseits Maßnahmen, die zur Politik bezüglich leerstehender Wohnungen gehörten, unter Verstoß gegen die regionale Zuständigkeit für das Wohnungswesen ergriffen würden. Sie sind ferner der Auffassung, dass die Bestimmungen des angefochtenen Gesetzes zur regionalen Zuständigkeit gehörten, weil sie Regeln in Bezug auf die Miete der zu Wohnzwecken bestimmten Gütern festlegten und diese Angelegenheit die Zuständigkeit einschließe, die Folgen der Besetzung einer Wohnung, die nicht von den von der Region erlassenen Regeln abgedeckt ist, zu regeln.

    B.3.1. Artikel 6 § 1 IV des Sondergesetzes vom 8. August 1980 bestimmt:

    § 1. Die Angelegenheiten, auf die sich Artikel 39 der Verfassung bezieht, sind:

    [...]

    IV. was das Wohnungswesen betrifft:

    1. das Wohnungswesen und die Aufrechterhaltung der Ordnung in Wohnungen, die eine Gefahr für die öffentliche Sauberkeit und Gesundheit darstellen,

    2. die spezifischen Regeln in Bezug auf die Miete der zu Wohnzwecken bestimmten Güter oder Teile von Gütern

    .

    B.3.2. Aus dieser Bestimmung lässt sich ableiten, dass die Regionen dafür zuständig sind, die Angelegenheit des Wohnungswesens insgesamt zu regeln, « insbesondere die Förderung des Baus, der Nutzung, der Sanierung, der Verbesserung, der Anpassung und des Abbruchs von Wohnungen » (Parl. Dok., Kammer, 1979-1980, Nr. 434/1, S. 20), sowie für die Regeln in Bezug auf die Miete von Wohnungen.

    B.4. Das angefochtene Gesetz bezweckt, das Eigentumsrecht an unbeweglichen Gütern oder beweglichen Gütern zu schützen, indem es die Besetzung dieser Güter ohne Rechtstitel oder Anspruch unter Strafe stellt und Verfahrensbestimmungen vorsieht, die es den Opfern dieses Verhaltens ermöglicht, dessen Beendigung zu erwirken.

    B.5. Die Bestimmungen des angefochtenen Gesetzes fallen nicht in die regionale Zuständigkeit in Angelegenheiten der « spezifischen Regeln in Bezug auf die Miete der zu Wohnzwecken bestimmten Güter oder Teile von Gütern », denn sie zielen auf Situationen ab, die außerhalb jeglicher Vertragsbeziehung und ohne Einwilligung oder sogar ohne Wissen des Eigentümers oder Inhabers eines Rechtstitel oder eines Anspruchs auf das betreffende Gut auftreten. Es kann nicht vernünftigerweise angeführt werden, wie es die klagenden Parteien machen, dass die regionale Zuständigkeit, « spezifische Regeln in Bezug auf die Miete der zu Wohnzwecken bestimmten Güter oder Teile von Gütern » die föderale Zuständigkeit ausschließt, strafrechtliche und verfahrensrechtliche Maßnahmen in Bezug auf die Folgen der Besetzung von Gütern, die zu Wohnzwecken bestimmt sind oder nicht, ohne jegliche mietvertragliche Beziehung zu ergreifen.

    B.6. Artikel 442/1 § 1, der durch Artikel 3 des angefochtenen Gesetzes in das Strafgesetzbuch eingefügt wurde, schließt ausdrücklich aus der Unterstrafestellung die Fälle aus, in denen die Besetzung des Gutes durch das Gesetz oder einen Inhaber eines Rechtstitels oder eines Anspruchs, der Zugang zu dem betroffenen Gut verschafft oder dessen Nutzung oder den dortigen Aufenthalt erlaubt, erlaubt wird. Die zuständigen Regionalgesetzgeber können daher die Politik ihrer Wahl verfolgen, um den Zugang zu Wohnungen zu fördern, auch indem sie Bestimmungen annehmen, die eine Einschränkung oder Begrenzung des Eigentumsrechts zur Folge haben, zum Beispiel indem sie die öffentlichen Behörden ermächtigen einzugreifen, um leerstehende Wohnungen wieder dem Wohnungsmarkt zuzuführen. Diese Bestimmung und die Verfahrensbestimmungen, die durch das angefochtene Gesetz eingeführt wurden, hindern die...

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