Auszug aus dem Entscheid Nr. 111/2019 vom 18. Juli 2019 Geschäftsverzeichnisnummern 6733

Auszug aus dem Entscheid Nr. 111/2019 vom 18. Juli 2019

Geschäftsverzeichnisnummern 6733, 6750 und 6753

In Sachen: Klagen auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes vom 15. März 2017 zur Abänderung von Artikel 39/79 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern, erhoben von der VoG « Liga voor Mensenrechten » und der VoG « Ligue des Droits de l'Homme », von der Kammer der französischsprachigen und deutschsprachigen Rechtsanwaltschaften und von VoG « Association pour le droit des Etrangers » und anderen.

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten A. Alen und F. Daoût, und den Richtern L. Lavrysen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, T. Giet, R. Leysen, J. Moerman und M. Pâques, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten A. Alen,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

  1. Gegenstand der Klagen und Verfahren

    1. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 29. September 2017 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 2. Oktober 2017 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung des Gesetzes vom 15. März 2017 zur Abänderung von Artikel 39/79 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 19. April 2017): die VoG « Liga voor Mensenrechten » und die VoG « Ligue des Droits de l'Homme », unterstützt und vertreten durch RÄin S. Micholt und RA J. Depotter, in Westflandern zugelassen.

    2. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 19. Oktober 2017 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 20. Oktober 2017 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob die Kammer der französischsprachigen und deutschsprachigen Rechtsanwaltschaften, unterstützt und vertreten durch RÄin S. Sarolea und RA J. Hardy, in Wallonisch-Brabant zugelassen, Klage auf völlige oder teilweise (Artikel 3 oder hilfsweise Artikel 3 Nrn. 1 und 3) Nichtigerklärung desselben Gesetzes.

    3. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 19. Oktober 2017 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 23. Oktober 2017 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung desselben Gesetzes: die VoG « Association pour le droit des Etrangers », die VoG « Coordination et Initiatives pour et avec les Réfugiés et Etrangers » und die VoG « Vluchtelingenwerk Vlaanderen », unterstützt und vertreten durch RÄin M. Van den Broeck und RÄin P. Delgrange, in Brüssel zugelassen.

    Diese unter den Nummern 6733, 6750 und 6753 ins Geschäftsverzeichnis des Gerichtshofes eingetragenen Rechtssachen wurden verbunden.

    (...)

  2. Rechtliche Würdigung

    (...)

    In Bezug auf den Kontext des angefochtenen Gesetzes

    B.1.1. Die klagenden Parteien beantragen die Nichtigerklärung des Gesetzes vom 15. März 2017 « zur Abänderung von Artikel 39/79 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern » (nachstehend: Gesetz vom 15. März 2017 beziehungsweise Gesetz vom 15. Dezember 1980).

    B.1.2. Das Gesetz vom 15. März 2017 soll « die Abschaffung der von Rechts wegen vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs im Falle eines aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder nationalen Sicherheit gefassten Beschlusses » zur Folge haben (Parl. Dok., Kammer, 2016-2017, DOC 54-2216/001, S. 3).

    Das vorerwähnte angefochtene Gesetz bildet eine Einheit mit dem Gesetz vom 24. Februar 2017 « zur Abänderung des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern im Hinblick auf die Verstärkung des Schutzes der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit »:

    Ce projet envisage l'ordre de quitter le territoire comme la seule et l'unique mesure d'éloignement qui pourra être prise, les arrêtés de renvoi et d'expulsion étant destinés à disparaître [par suite de l'entrée en vigueur de la loi du 24 février 2017]. Par ailleurs, la Commission consultative des étrangers n'interviendra plus dans la procédure de décision.

    [...]

    Le présent projet de loi modifie en conséquence les règles de procédure juridictionnelle attachées :

    1° aux arrêtés de renvoi;

    2° aux mesures de maintien prises à l'encontre des citoyens de l'Union et des membres de leur famille en vue de leur éloignement

    (ebenda, S. 4).

    B.2.1. Die Artikel 2 und 3 des Gesetzes vom 15. März 2017 bestimmen:

    Art. 2. Vorliegendes Gesetz dient der Teilumsetzung der folgenden Richtlinien:

    1. Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen,

    2. Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung,

    3. Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen,

    4. Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG,

    5. Richtlinie 2004/81/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren,

    6. Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger,

    7. Richtlinie 2009/50/EG des Rates vom 25. Mai 2009 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung,

    8. Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung),

    9. Richtlinie 2016/801/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (Neufassung).

    Art. 3. Artikel 39/79 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern, eingefügt durch das Gesetz vom 15. September 2006 und abgeändert durch die Gesetze vom 27. Dezember 2006 und 4. Mai 2007, wird wie folgt abgeändert:

    1. In § 1 Absatz 1 werden die Wörter ' Vorbehaltlich der Zustimmung des Betreffenden ' durch die Wörter ' Unter Vorbehalt von § 3 und der Zustimmung des Betreffenden ' ersetzt.

    2. In § 1 Absatz 2 werden die Nummern 4 und 6 aufgehoben.

    3. Artikel 39/79 wird durch einen Paragraphen 3 mit folgendem Wortlaut ergänzt:

    ' § 3. Vorliegender Artikel findet keine Anwendung, wenn die in § 1 Absatz 2 erwähnten Beschlüsse auf zwingenden Gründen der nationalen Sicherheit beruhen. '

    .

    B.2.2. Infolge der angefochtenen Gesetzesänderung wird die von Rechts wegen vorgesehene aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs für die in Artikel 39/79 § 1 Absatz 2 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 erwähnten Beschlüsse beibehalten, es sei denn, dass diese Beschlüsse auf « zwingenden Gründen der nationalen Sicherheit » beruhen.

    Daneben hebt das angefochtene Gesetz zwei Arten von Beschlüssen auf, gegen die vorher Beschwerde mit von Rechts wegen vorgesehener aufschiebender Wirkung eingelegt werden konnte, nämlich den Zurückweisungsbeschluss (Artikel 39/79 § 1 Absatz 2 Nr. 4 alte Fassung) und den Beschluss aufgrund von Artikel 22 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 (Artikel 39/79 § 1 Absatz 2 Nr. 6 alte Fassung).

    B.2.3. Nach der angefochtenen Gesetzesänderung lautet Artikel 39/79 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980:

    § 1. Unter Vorbehalt von § 3 und der Zustimmung des Betreffenden kann während der Frist für die Einreichung einer Beschwerde und während der Prüfung dieser Beschwerde, die gegen einen in Absatz 2 erwähnten Beschluss gerichtet ist, gegenüber dem Ausländer keine Maßnahme zur Entfernung aus dem Staatsgebiet unter Zwang ausgeführt werden und es dürfen keine solchen Maßnahmen gegenüber dem Ausländer ergriffen werden aufgrund von Begebenheiten, die zu dem Beschluss geführt haben, gegen den Beschwerde eingereicht ist.

    Die in Absatz 1 erwähnten Beschlüsse sind die Folgenden:

    1. Beschluss zur Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis der in Artikel 10bis erwähnten Ausländer, sofern der Ausländer, dem nachgekommen wird, weiterhin im Königreich wohnt, seinen Aufenthalt im Königreich nicht über die festgelegte Dauer der Aufenthaltserlaubnis hinaus verlängert oder nicht Gegenstand einer Anweisung das Staatsgebiet zu verlassen ist,

    2. Beschluss zur Verweigerung der Anerkennung des Aufenthaltsrechts oder zur Beendigung des Aufenthaltsrechts in Anwendung von Artikel 11 § 1 oder 2,

    3. Anweisung das Staatsgebiet zu verlassen, die den in Artikel 10bis §§ 2 oder 3 erwähnten Familienmitgliedern aufgrund von Artikel 13 § 4 Absatz 1 oder den in Artikel 10bis § 1 erwähnten Familienmitgliedern aus denselben Gründen ausgestellt wird, sofern der Ausländer, dem nachgekommen wird, weiterhin im...

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