Auszug aus dem Entscheid Nr. 153/2015 vom 29. Oktober 2015 Geschäftsverzeichnisnummern. 6030

Auszug aus dem Entscheid Nr. 153/2015 vom 29. Oktober 2015

Geschäftsverzeichnisnummern. 6030, 6033 und 6034

In Sachen: Klagen auf Nichtigerklärung des Gesetzes vom 28. Februar 2014 zur Abänderung des Gesetzes vom 28. Mai 2002 über die Sterbehilfe im Hinblick auf die Ausweitung der Sterbehilfe auf Minderjährige, erhoben von der VoG « Jurivie » und der VoG « Pro Vita », von Raymond Elsen und Lucien Borkes und von der VoG « Jugend für's Leben ».

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten J. Spreutels und A. Alen, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten J. Spreutels,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

  1. Gegenstand der Klagen und Verfahren

    1. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 9. September 2014 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 11. September 2014 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung des Gesetzes vom 28. Februar 2014 zur Abänderung des Gesetzes vom 28. Mai 2002 über die Sterbehilfe im Hinblick auf die Ausweitung der Sterbehilfe auf Minderjährige (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 12. März 2014): die VoG « Jurivie » und die VoG « Pro Vita », unterstützt und vertreten durch RA F. Krenc, in Brüssel zugelassen.

    2. Mit zwei Klageschriften, die dem Gerichtshof mit am 12. September 2014 bei der Post aufgegebenen Einschreibebriefen zugesandt wurden und am 15. September 2014 in der Kanzlei eingegangen sind, erhoben jeweils Klage auf Nichtigerklärung desselben Gesetzes: Raymond Elsen und Lucien Borkes, unterstützt und vertreten durch RA H. Coveliers, in Antwerpen zugelassen, und die VoG « Jugend für's Leben », unterstützt und vertreten durch RA B. Van Weerdt, in Antwerpen zugelassen.

    Diese unter den Nummern 6030, 6033 und 6034 ins Geschäftsverzeichnis des Gerichtshofes eingetragenen Rechtssachen wurden verbunden.

    (...)

  2. Rechtliche Würdigung

    (...)

    In Bezug auf das Gesetz vom 28. Mai 2002 über die Sterbehilfe, abgeändert durch das angefochtene Gesetz

    B.1.1. Die Klagen in den Rechtssachen Nrn. 6030, 6033 und 6034 sind gegen das Gesetz vom 28. Februar 2014 « zur Abänderung des Gesetzes vom 28. Mai 2002 über die Sterbehilfe im Hinblick auf die Ausweitung der Sterbehilfe auf Minderjährige » gerichtet.

    B.1.2. Das angefochtene Gesetz ändert das Gesetz vom 28. Mai 2002 über die Sterbehilfe ab, das infolge dieser Abänderungen bestimmt:

    Artikel 1. Vorliegendes Gesetz regelt eine in Artikel 78 der Verfassung erwähnte Angelegenheit.

    KAPITEL I - Allgemeine Bestimmungen

    Art. 2. Für die Anwendung des vorliegenden Gesetzes ist unter Sterbehilfe die von einer Drittperson ausgeführte Handlung zu verstehen, durch die dem Leben einer Person auf deren Bitte hin vorsätzlich ein Ende gesetzt wird.

    KAPITEL II - Bedingungen und Vorgehensweise

    Art. 3. § 1. Ein Arzt, der Sterbehilfe leistet, begeht keine Straftat, wenn er sich vergewissert hat:

    - dass der Patient eine handlungsfähige volljährige oder eine handlungsfähige für mündig erklärte minderjährige Person oder aber eine urteilsfähige minderjährige Person ist und zum Zeitpunkt ihrer Bitte bei Bewusstsein ist,

    - dass die Bitte freiwillig, überlegt und wiederholt formuliert worden ist und nicht durch Druck von außen zustande gekommen ist,

    - dass der volljährige oder für mündig erklärte minderjährige Patient sich in einer medizinisch aussichtslosen Lage befindet und sich auf eine anhaltende, unerträgliche körperliche oder psychische Qual beruft, die nicht gelindert werden kann und die Folge eines schlimmen und unheilbaren unfall- oder krankheitsbedingten Leidens ist,

    - dass der urteilsfähige minderjährige Patient sich in einer medizinisch aussichtslosen Lage mit anhaltender, unerträglicher körperlicher [...] Qual befindet, die nicht gelindert werden kann, in absehbarer Zeit zum Tod führt und die Folge eines schlimmen und unheilbaren unfall- oder krankheitsbedingten Leidens ist,

    und die durch vorliegendes Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen und Vorgehensweisen beachtet.

    § 2. Der Arzt muss, unbeschadet ergänzender Bedingungen, die er an seinen Eingriff knüpfen möchte, vorher und in allen Fällen:

    1. den Patienten über dessen Gesundheitszustand und Lebenserwartung informieren, sich mit dem Patienten über dessen Bitte um Sterbehilfe beraten und mit ihm die noch verbleibenden Therapiemöglichkeiten und die Möglichkeiten, die die Palliativpflege bietet, sowie die jeweiligen Folgen besprechen. Er muss mit dem Patienten zu der Überzeugung kommen, dass es für die Lage, in der Letzterer sich befindet, keine andere vernünftige Lösung gibt und dass die Bitte seitens des Patienten auf völlig freiwilliger Basis beruht,

    2. sich des anhaltenden Charakters der körperlichen oder psychischen Qual des Patienten und der Wiederholung seiner Bitte vergewissern. Zu diesem Zweck führt er mit dem Patienten mehrere Gespräche, die unter Beachtung der Entwicklung des Gesundheitszustands des Patienten über einen annehmbaren Zeitraum verteilt sind,

    3. einen anderen Arzt zu Rat ziehen hinsichtlich des schlimmen und unheilbaren Charakters des Leidens und diesen Arzt über die Gründe dieser Konsultierung informieren. Der zu Rat gezogene Arzt nimmt von der medizinischen Akte Kenntnis, untersucht den Patienten und vergewissert sich des anhaltenden, unerträglichen und unlinderbaren Charakters der körperlichen oder psychischen Qual. Über seine Feststellungen erstellt er einen Bericht.

    Der zu Rat gezogene Arzt muss sowohl dem Patienten als auch dem behandelnden Arzt gegenüber unabhängig sein und fachkundig sein, was die Beurteilung der betreffenden Erkrankung betrifft. Der behandelnde Arzt setzt den Patienten von den Ergebnissen dieser Konsultierung in Kenntnis,

    4. wenn es ein Pflegeteam gibt, das regelmäßig mit dem Patienten in Kontakt ist, mit diesem Team oder mit Mitgliedern dieses Teams über die Bitte des Patienten reden,

    5. wenn es dem Wunsch des Patienten entspricht, mit den von ihm bestimmten Angehörigen über seine Bitte reden,

    6. sich vergewissern, dass der Patient Gelegenheit gehabt hat, mit den Personen, denen er zu begegnen wünschte, über seine Bitte zu reden,

    7. wenn der Patient ein nicht für mündig erklärter Minderjähriger ist, außerdem einen Kinder- und Jugendpsychiater oder einen Psychologen konsultieren und ihm die Gründe für diese Konsultierung darlegen.

    Die konsultierte Fachkraft nimmt Einsicht in die medizinische Akte des Patienten, untersucht ihn, vergewissert sich der Urteilsfähigkeit des Minderjährigen und bescheinigt sie schriftlich.

    Der behandelnde Arzt informiert den Patienten und seine gesetzlichen Vertreter über das Ergebnis dieser Konsultierung.

    Der behandelnde Arzt teilt den gesetzlichen Vertretern des Minderjährigen während eines Gesprächs alle in § 2 Nr. 1 erwähnten Informationen mit und vergewissert sich, dass sie sich mit der Bitte des minderjährigen Patienten einverstanden erklären.

    § 3. Ist der Arzt der Meinung, dass der Tod des volljährigen Patienten oder des für mündig erklärten minderjährigen Patienten offensichtlich nicht in absehbarer Zeit eintreten wird, muss er außerdem:

    1. einen zweiten Arzt, der Psychiater oder Facharzt für die betreffende Erkrankung ist, zu Rat ziehen und ihn über die Gründe dieser Konsultierung informieren. Der zu Rat gezogene Arzt nimmt von der medizinischen Akte Kenntnis, untersucht den Patienten und vergewissert sich des anhaltenden, unerträglichen und unlinderbaren Charakters der körperlichen oder psychischen Qual und des freiwilligen, überlegten und wiederholten Charakters der Bitte des Patienten. Über seine Feststellungen erstellt er einen Bericht. Der zu Rat gezogene Arzt muss sowohl dem Patienten als auch dem behandelnden Arzt und dem zuerst zu Rat gezogenen Arzt gegenüber unabhängig sein. Der behandelnde Arzt setzt den Patienten von den Ergebnissen dieser Konsultierung in Kenntnis,

    2. mindestens einen Monat vergehen lassen zwischen der schriftlich formulierten Bitte des Patienten und der Leistung der Sterbehilfe.

    § 4. Die Bitte des Patienten sowie, wenn der Patient minderjährig ist, das Einverständnis der gesetzlichen Vertreter müssen schriftlich festgehalten werden. Das Dokument wird vom Patienten selbst erstellt, datiert und unterzeichnet. Ist er dazu nicht in der Lage, wird seine Bitte schriftlich festgehalten von einer volljährigen Person seiner Wahl, die am Tod des Patienten keinerlei materielles Interesse haben darf.

    Diese Person erwähnt den Umstand, dass der Patient nicht in der Lage ist, seine Bitte schriftlich zu formulieren, und gibt die Gründe dafür an. In diesem Fall wird die Bitte im Beisein des Arztes schriftlich festgehalten und besagte Person erwähnt den Namen dieses Arztes auf dem Dokument. Dieses Dokument muss der medizinischen Akte beigefügt werden.

    Der Patient kann seine Bitte zu jeder Zeit widerrufen; in diesem Fall wird das Dokument aus der medizinischen Akte herausgenommen und dem Patienten zurückgegeben.

    § 4/1. Nachdem der Arzt die Bitte des Patienten bearbeitet hat, wird den betroffenen Personen die Möglichkeit einer psychologischen Begleitung angeboten.

    § 5. Alle vom Patienten formulierten Bitten und die vom behandelnden Arzt unternommenen Schritte und ihr Ergebnis, einschließlich des Berichtes beziehungsweise der Berichte des zu Rat gezogenen Arztes beziehungsweise der zu Rat gezogenen Ärzte, werden regelmäßig in der medizinischen Akte des Patienten aufgezeichnet.

    Art. 3bis. Ein Apotheker, der eine todbringende Substanz abgibt, begeht keine Straftat, wenn er dies auf der Grundlage einer Verschreibung tut, in der der Arzt ausdrücklich vermerkt, dass er in Übereinstimmung mit vorliegendem Gesetz handelt.

    Der Apotheker händigt dem Arzt die verschriebene todbringende Substanz persönlich aus. Der König legt die Sorgfaltskriterien und die Bedingungen fest, denen die Verschreibung und die Abgabe von Arzneimitteln, die als...

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