Aus aus dem Entscheid Nr. 165/2014 vom 13. November 2014 Geschäftsverzeichnisnummern. 5741, 5825

Aus aus dem Entscheid Nr. 165/2014 vom 13. November 2014

Geschäftsverzeichnisnummern. 5741, 5825, 5832 und 5833

In Sachen: Klagen auf Nichtigerklärung von Artikel 60 des Gesetzes vom 30. Juli 2013 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen (Aufhebung der Nr. 1 von Artikel 44 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches in Bezug auf die von Rechtsanwälten erbrachten Dienstleistungen), erhoben von der Kammer der französischsprachigen und deutschsprachigen Rechtsanwaltschaften und anderen, von Jimmy Tessens und anderen, von der Kammer der flämischen Rechtsanwaltschaften und von der Rechtsanwaltskammer Arlon und anderen.

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten J. Spreutels und A. Alen, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten J. Spreutels,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

  1. Gegenstand der Klagen und Verfahren

    1. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 31. Oktober 2013 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 4. November 2013 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 60 des Gesetzes vom 30. Juli 2013 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen (Aufhebung der Nr. 1 von Artikel 44 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches in Bezug auf die von Rechtsanwälten erbrachten Dienstleistungen), veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 1. August 2013, zweite Ausgabe: die Kammer der französischsprachigen und deutschsprachigen Rechtsanwaltschaften, die VoG « Syndicat des Avocats pour la Démocratie », die VoG « Bureau d'Accueil et de Défense des Jeunes », die VoG « Syndicat des Locataires de Logements sociaux », die VoG « Ligue des Droits de l'Homme », die VoG « L'association de Défense des Allocataires Sociaux », die VoG « L'Atelier des Droits Sociaux » und die VoG « Collectif Solidarité contre l'Exclusion : Emploi et revenus pour tous », alle unterstützt und vertreten durch RA V. Letellier, RA R. Leloup und RA E. Huisman, in Brüssel zugelassen, und die VoG « Vlaams Netwerk van verenigingen waar armen het woord nemen » und die Sozialistischen Gewerkschaften, alle unterstützt und vertreten durch RA J. Buelens, in Antwerpen zugelassen.

      Die von denselben klagenden Parteien erhobene Klage auf einstweilige Aufhebung derselben Norm wurde durch Entscheid Nr. 183/2013 vom 19. Dezember 2013, veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 31. März 2014, zurückgewiesen.

    2. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 30. Januar 2014 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 31. Januar 2014 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung derselben Norm: Jimmy Tessens, Rudi Schuer und Suzy Vankrunkelsven, Luc Peeters und Heidi Vranckx, Ria Engelen und Cindy Vandenbroeck, alle unterstützt und vertreten durch RA J. Toury und RA M. Denys, in Brüssel zugelassen.

    3. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 31. Januar 2014 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 3. Februar 2014 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob die Kammer der flämischen Rechtsanwaltschaften, unterstützt und vertreten durch RA D. Lindemans, in Brüssel zugelassen, Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 60 und 61 des vorerwähnten Gesetzes vom 13. Juli 2013.

    4. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 31. Januar 2014 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 3. Februar 2014 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 60 desselben Gesetzes: die Rechtsanwaltskammer Arlon, die Französische Rechtsanwaltskammer Brüssel, die Rechtsanwaltskammer Dinant, die Rechtsanwaltskammer Huy, die Rechtsanwaltskammer Lüttich, die Rechtsanwaltskammer Marche-en-Famenne, die Rechtsanwaltskammer Mons, die Rechtsanwaltskammer Namur, die Rechtsanwaltskammer Neufchâteau, die Rechtsanwaltskammer Nivelles, die Rechtsanwaltskammer Tournai und Patrick Henry, alle unterstützt und vertreten durch RA D. Lagasse, in Brüssel zugelassen.

      Diese unter den Nummern 5741, 5825, 5832 und 5833 ins Geschäftsverzeichnis des Gerichtshofes eingetragenen Rechtssachen wurden verbunden.

      (...)

  2. Rechtliche Würdigung

    (...)

    In Bezug auf die angefochtene Bestimmung und deren Kontext

    B.1. Die klagenden Parteien beantragen die Nichtigerklärung von Artikel 60 des Gesetzes vom 30. Juli 2013 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen, der wie folgt lautet:

    In Artikel 44 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches, ersetzt durch das Gesetz vom 28. Dezember 1992 und abgeändert durch das Gesetz vom 28. Dezember 2011, wird die Bestimmung in Nr. 1 aufgehoben

    .

    Vor dieser Gesetzesänderung bestimmte Artikel 44 § 1 Nr. 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches:

    Steuerfrei sind Dienstleistungen, die von den nachstehend erwähnten Personen in der Ausübung ihrer gewöhnlichen Tätigkeit erbracht werden:

    1. Rechtsanwälte,

    .

    Die Mehrwertsteuerbefreiung, die sich bis dahin auf die Rechtsanwälte bezog, wurde durch die angefochtene Bestimmung also mit Wirkung vom 1. Januar 2014 aufgehoben.

    B.2.1. Der Abänderungsantrag, der zu dem angefochtenen Artikel geführt hat, wurde wie folgt gerechtfertigt:

    Auf der Grundlage der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem unterliegen die Dienstleistungen von Rechtsanwälten grundsätzlich der Mehrwertsteuer nach den normalen Regeln.

    Gemäß Artikel 371 der vorerwähnten Richtlinie dürfen Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1978 die im Anhang X Teil B der Richtlinie genannten Umsätze von der Steuer befreit haben, diese jedoch zu den in dem jeweiligen Mitgliedstaat zu dem genannten Zeitpunkt geltenden Bedingungen weiterhin von der Steuer befreien. Diese Abweichung gilt bis zur Einführung der endgültigen Regelung.

    Belgien hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Dienste, die durch Rechtsanwälte in der Ausübung ihrer gewöhnlichen Tätigkeit erbracht werden, sind somit gemäß Artikel 44 § 1 Nr. 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches von der Steuer befreit.

    Belgien ist bisher der einzige Mitgliedstaat, der die Dienstleistungen von Rechtsanwälten noch von der Mehrwertsteuer befreit. Außerdem führt die Mehrwertsteuerbefreiung in der Praxis zu Wettbewerbsverzerrungen. In diesem Rahmen hebt Artikel 46 den Artikel 44 § 1 Nr. 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches auf

    (Parl. Dok., Kammer, 2012-2013, DOC 53-2891/004, SS. 21 und 22).

    Im Ausschuss für Soziales der Abgeordnetenkammer hat der Minister Folgendes erklärt:

    Wie jeder Mehrwertsteuerpflichtige können die Rechtsanwälte die Mehrwertsteuer der Produkte und Dienstleistungen, auf die sie zurückgreifen, abziehen. Es erscheint selbstverständlich, dass die abgezogene Mehrwertsteuer nicht an die Mandanten weiterberechnet werden sollte. Im Allgemeinen kann man jedoch ungeachtet der betreffenden Steuer nicht immer denjenigen identifizieren, der dafür aufkommt, wie die umfangreiche Literatur diesbezüglich zeigt. Der Anregung [...], Privatpersonen zu befreien, kann man sich nicht anschließen, denn eine solche Befreiung würde die Maßnahme hinsichtlich des Haushalts sinnlos machen.

    Im Übrigen trifft es zu, dass die Behörden gleich welcher Art für die Güter und Dienste die Mehrwertsteuer zu entrichten haben. Für den Staat ist dieser Vorgang selbstverständlich ein neutraler Vorgang.

    Schließlich nimmt der Minister die Anmerkungen zur Reform des juristischen Beistands zur Kenntnis.

    In diesem Fall wurde es jedoch schwierig, die Ausnahme zugunsten der Rechtsanwälte aufrechtzuerhalten, während sie für Notare oder Gerichtsvollzieher aufgehoben worden ist

    (Parl. Dok., Kammer, 2012-2013, DOC 53-2891/007, SS. 52-53).

    Während der Diskussion im Senat wurde präzisiert:

    Die Regierung hat sich bei der letzten Haushaltskontrolle bemüht, die zu ergreifenden Maßnahmen mit gerechten Bedingungen zu verbinden, insbesondere im Steuerbereich, und sie hat darauf geachtet, gewisse Lücken zu füllen; diesbezüglich denkt der Staatssekretär an die Investmentgesellschaften, die nunmehr gleich behandelt werden, ungeachtet dessen, ob es europäische oder nichteuropäische sind. Die Maßnahme, wodurch die Rechtsanwälte mehrwertsteuerpflichtig werden, trägt auch zu dieser Logik bei; sämtliche Güter und Dienste unterliegen bereits der Mehrwertsteuer, und es gab daher keinen Grund, warum die Rechtsanwälte von der Regel ausgenommen sein sollten. Der Staatssekretär erkennt an, dass gewisse Maßnahmen nicht jedem gefallen werden, doch dies ändert nichts daran, dass sie notwendig sind

    (Parl. Dok., Senat, 2012-2013, Nr. 5-2218/2, S. 8).

    B.2.2. Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass der Gesetzgeber mit der Annahme der angefochtenen Maßnahme einerseits ein Haushaltsziel und andererseits die Harmonisierung der Steuerregelung für die Dienstleistungen von Rechtsanwälten mit dem Unionsrecht (Ende der abweichenden Regelung) angestrebt hat. In seinen Schriftsätzen führt der Ministerrat an, dass die angefochtene Maßnahme ebenfalls zur Folge habe, den jährlichen Ausgleich abzuschaffen, den Belgien der Europäischen Union wegen der Aufrechterhaltung der Mehrwertsteuerbefreiung zugunsten der Dienstleistungen von Rechtsanwälten schulde.

    B.3. Durch die Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 « zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems » unterlagen die Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer (Artikel 2 Buchstabe a), wobei als Steuerpflichtiger gilt, wer regelmäßig mit oder ohne Absicht, Gewinn zu erzielen, selbständig Leistungen erbringt, die zu den Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden gehören (Artikel 4). In Anwendung von Artikel 6 Absatz 2 waren diese Bestimmungen nur für die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen verbindlich, unter denen die durch einen...

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