Arrêt Nº 145/2011. Cour constitutionnelle (Cour d'Arbitrage), 2011-09-22

Date22 septembre 2011
Docket NumberF-20110922-3
CourtVerfassungsgericht (Schiedsgericht)
B.110. Le grief est irrecevable.
Par ces motifs,
la Cour,
- annule larticle 2, §3, de la loi du 30 novembre 1998 organique des services de renseignement et de sécurité, inséré
par larticle 2, 3
o
,delaloidu4février 2010 relative aux méthodes de recueil des données par les services de
renseignement et de sécurité;
- rejette les recours pour le surplus, sous réserve des interprétations mentionnées en B.26.1 et B.77.
Ainsi prononcéen langue néerlandaise, en langue française et en langue allemande, conformément àlarticle 65
de la loi spéciale du 6 janvier 1989 sur la Cour constitutionnelle, àlaudience publique du 22 septembre 2011.
Le greffier, Le président,
P.-Y. Dutilleux. M. Bossuyt.
VERFASSUNGSGERICHTSHOF
[2011/204878]D. 2011 3248
Auszug aus dem Urteil Nr. 145/2011 vom 22. September 2011
Geschäftsverzeichnisnrn. 4955 und 5014
In Sachen: Klagen auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes vom 4. Februar 2010 über die Methoden
zum Sammeln von Daten durch die Nachrichten- und Sicherheitsdienste, erhoben von der Kammer der flämischen
Rechtsanwaltschaften und Jo Stevens und von der VoG «Liga voor Mensenrechten».
Der Verfassungsgerichtshof,
zusammengesetzt aus den VorsitzendenM. Bossuyt und R. Henneuse, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen,
J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, J. Spreutels, T. Merckx-Van Goey und F. Daoût, unter Assistenz des Kanzlers
P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden M. Bossuyt,
verkündet nach Beratung folgendes Urteil:
I. Gegenstand der Klagen und Verfahren
a. Mit einer Klageschrift, die dem Hof mit am 7. Juni 2010 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt
wurde und am 8. Juni 2010 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf völlige oder teilweise (Artikel 2 Nr. 3,
14 (partim), 15, 17, 18 und 35 bis 37) Nichtigerklärung des Gesetzes vom 4. Februar 2010 über die Methoden zum
Sammeln von Daten durch die Nachrichten- und Sicherheitsdienste (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom
10. März 2010): die Kammer der flämischen Rechtsanwaltschaften, mit Sitz in 1000 Brüssel, Koningsstraat 148,
und Jo Stevens, wohnhaft in 2018 Antwerpen, Van Schoonbekestraat 70.
b. Mit einer Klageschrift, die dem Hof mit am 4. August 2010 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief
zugesandt wurde und am 5. August 2010 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob die VoG «Liga voor Mensenrechten»,
mit Vereinigungssitz in 9000 Gent, Gebroeders Desmetstraat 75, Klage auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung der
Artikel 3, 10, 14, 15 und 18 des vorerwähnten Gesetzes vom 4. Februar 2010.
Diese unter den Nummern 4955 und 5014 ins Geschäftsverzeichnis des Hofes eingetragenen Rechtssachen wurden
verbunden.
(...)
II. In rechtlicher Beziehung
(...)
In Bezug auf das angefochtene Gesetz und dessen Kontext
B.1. Das Gesetz vom 4. Februar 2010 über die Methoden zum Sammeln von Daten durch die Nachrichten- und
Sicherheitsdienste beschränkt sich darauf, bereits bestehende Gesetze abzuändern.
Die angefochtenen Bestimmungen - die Artikel 2, 3, 10 und 14 bis 18 des Gesetzes vom 4. Februar 2010 - beinhalten
überwiegend Abänderungen des Grundlagengesetzes vom 30. November 1998 über die Nachrichten- und Sicherheits-
dienste. Die übrigen angefochtenen Bestimmungen - die Artikel 35 bis 38 des Gesetzes vom 4. Februar 2010 - beinhalten
Abänderungen des Strafprozessgesetzbuches und des Strafgesetzbuches.
B.2.1. Kraft Artikel 2 §1 Absatz 1 des Gesetzes vom 30. November 1998 gibt es im Königreich zwei Nachrichten-
und Sicherheitsdienste, und zwar einen zivilen Nachrichten- und Sicherheitsdienst, der die «Staatssicherheit»genannt
wird, und einen militärischen Nachrichten- und Sicherheitsdienst, der der «Allgemeine Nachrichten- und Sicherheits-
dienst der Streitkräfte»genannt wird.
Die Hauptaufgabe des zivilen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes besteht darin, Nachrichten in Bezug auf
jegliche Aktivität, die die innere Sicherheit des Staates und den Fortbestand der demokratischen und verfassungs-
mäßigen Ordnung, die äußere Sicherheit des Staates und die internationalen Beziehungen, das wissenschaftliche oder
wirtschaftliche Potential oder jedes andere grundlegende Interesse des Landes gefährdet oder gefährden könnte,
zu ermitteln, zu analysieren und zu verarbeiten (Artikel 7 Nr. 1 des Gesetzes vom 30. November 1998).
Die Hauptaufgabe des militärischen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes besteht darin, Nachrichten in Bezug auf
jegliche Aktivität, die die Integrität des Staatsgebiets, die militärischen Verteidigungspläne und die Erfüllung der
Aufträge der Streitkräfte, das wissenschaftliche und wirtschaftliche Potential in Zusammenhang mit der Verteidigung,
die Sicherheit von belgischen Staatsangehörigen im Ausland oder jedes andere grundlegende Interesse des Landes
gefährdet oder gefährden könnte, zu ermitteln, zu analysieren und zu verarbeiten (Artikel 11§1 Nr. 1 des Gesetzes vom
30. November 1998).
Die Aktivitäten, die eine potentielle Gefahr darstellen, werden in den Artikeln 8 und 11 §2 des Gesetzes vom
30. November 1998 näher umschrieben. Die Nachrichten- und Sicherheitsdienste tragen bei der Erfüllung ihrer
Aufträge zum Schutz der individuellen Rechte und Freiheiten, für deren Einhaltung sie sorgen, und zur
demokratischen Entwicklung der Gesellschaft bei (Artikel 2 §1 Absatz 2 des Gesetzes vom 30. November 1998).
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B.2.2. Das angefochtene Gesetz sieht eine Erweiterung der Methoden vor, die die vorerwähnten Nachrichten- und
Sicherheitsdienste bei der Ausführung ihrer Aufträge anwenden dürfen. «Angesichts der global gestiegenen
Sicherheitsrisiken»war der Gesetzgeber der Auffassung, dass sie «über ergänzende gesetzliche Mittel zur
Durchführung einer effizienten Sicherheitspolitik verfügen»müssen. Dabei wollte der Gesetzgeber ein Gleichgewicht
«zwischen dem Schutz der Grundrechte und der Durchführung einer effizienten Sicherheitspolitik, die - schließlich -
dem Schutz der Grundrechte der Bürger dient»schaffen (Parl. Dok., Senat, 2008-2009, Nr. 4-1053/1, S. 1).
Das Bemühen des Gesetzgebers, die nachrichtendienstlichen Methoden zu erweitern und gleichzeitig das
vorerwähnte Gleichgewicht zu wahren, wurde während der Vorarbeiten zum angefochtenen Gesetz mehrfach zum
Ausdruck gebracht:
«Bereits seit mehreren Jahren wird hervorgehoben, dass die gesetzlichen Mittel, die der Staatssicherheit und dem
Allgemeinen Nachrichten- und Sicherheitsdienst der Streitkräfte zur Verfügung stehen, nicht ausreichen, um einen
gezielten Kampf gegen Terrorismus, Extremismus, darunter Radikalismus und die anderen ernsthaften Gefahren für
die innere und äußere Sicherheit des Staates, führen zu können.
Im Rahmen dieser Tätigkeiten und wegen der zunehmenden Bedrohungen und der systematischen Nutzung von
immer leistungsfähigeren Mitteln durch die Personen und Gruppen, die für die Aufträge der Dienste von Interesse
sind, unter anderem angesichts der Verbreitung der besonders fortschrittlichen Technologieder Kommunikationsmittel
und der Nutzung des Internets, wird die Wirksamkeit der Nachrichtendienste nämlich durch einen Mangel an
geeigneten nachrichtendienstlichen Methoden beeinträchtigt.
[...]
Derzeit hat die Staatssicherheit beispielsweise keinen Zugang zu den technischen Kommunikationsmitteln, und
dies im Gegensatz zu den Diensten der meisten europäischen Staaten, und ebenfalls nicht über andere Methoden zum
Sammeln von Daten als die traditionellen Methoden»(ebenda, SS. 4-5).
«Da oft nachzuweisen versucht wird, dass die auf der Grundlage der Informationen der Staatssicherheit erzielten
Beweismittel regelwidrig sind, drängt sich eine gesetzgeberische Initiative auf, die deutlich die Grenzen festlegt,
innerhalb deren die Nachrichtendienste Methoden ausüben können, um Informationen zu sammeln»(ebenda, S. 7).
«In diesem Gesetzesvorschlag wird darauf geachtet, ein gerechtes Gleichgewicht zwischen dem Schutz der
fundamentalen Interessen des Staates und dem Schutz der fundamentalen Interessen der Bürger zu nden. Daher wird
für diese Methoden eine strikte Kontrolle auferlegt, die umso strenger wird, als diese Methode die betreffenden
Grundrechte beeinträchtigt»(ebenda, S. 12).
B.2.3. Mit dem angefochtenen Gesetz vom 4. Februar 2010 wurde ein Unterschied zwischen drei Kategorien von
Methoden zum Sammeln von Daten eingeführt: die gewöhnlichen Methoden, die spezischen Methoden und die
außergewöhnlichen Methoden. Die Kategorien unterscheiden sich voneinander durch ihre mehr oder weniger
einschneidende Beschaffenheit für die Person, auf die diese Methode angewandt wird.
B.2.4. Die gewöhnlichen Methoden umfassen die Mittel, über die die Nachrichten- und Sicherheitsdienste bereits
verfügen, um Daten zu sammeln. Es handelt sich um das Anfordern von Informationen bei öffentlichen Instanzen,
das Einholen von Informationen bei privaten Organisationen und Personen, die Observation und Inspektion als
gewöhnliche Methode, das Betreten von öffentlich zugänglichen Orten und die Nutzung von menschlichen Quellen.
Diese Methoden werden in den Artikeln 14 bis 18 des Gesetzes vom 30. November 1998 beschrieben.
Informationen, die für die Erfüllung der Aufträge des betreffenden Nachrichten- und Sicherheitsdienstes von
Nutzen sind, können somit von den Gerichtsbehörden, den Beamten und den Bediensteten der öffentlichen Dienste,
einschließlich der Polizeidienste, aus eigener Initiative oder auf Antrag des Sicherheitsdienstes mitgeteilt werden
(Artikel 14). Informationen, die in den Bevölkerungs- und Fremdenregistern sowie im Warteregister für Ausländer
enthalten sind, können ebenfalls mitgeteilt werden (Artikel 15). Das Gleiche gilt für die personenbezogenen Daten im
Besitze jeder Person oder Einrichtung, die dem Privatsektor angehört, gemäß Artikel 3 §4 des Gesetzes vom
8. Dezember 1992 über den Schutz des Privatlebens hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten
(Artikel 16). Die Nachrichten- und Sicherheitsdienste dürfen ebenfalls öffentliche Orte und öffentlich zugängliche
private Orte ohne Hilfe von technischen Mitteln beobachten und inspizieren (Artikel 16/1). Sie können diese Orte
ebenfalls betreten und unter Beachtung der Unverletzlichkeit der Wohnung Hotelbetriebe und andereBeherbergungs-
stätten besichtigen; sie können sich von den Eigentümern, Inhabern oder Angestellten dieser Einrichtungen die
Meldeangaben von Reisenden vorzeigen lassen (Artikel 17). Schließlich können die betreffenden Dienste menschliche
Quellen für das Sammeln von Daten in Zusammenhang mit Ereignissen, Gegenständen, Gruppierungen und
natürlichen oder juristischen Personen, die für die Erfüllung ihrer Aufträge von Interesse sind, zu Rate ziehen
(Artikel 18).
Das Gesetz vom 4. Februar 2010 nimmt an den vorerwähnten Bestimmungen nur geringfügige Änderungen vor.
Mit Ausnahme von Artikel 10, der in Artikel 16 des Gesetzes vom 30. November 1998 die Bezugnahme auf Artikel 3
§3 des Gesetzes vom 8. Dezember 1992 über den Schutz des Privatlebens hinsichtlich der Verarbeitung personen-
bezogener Daten durch die Bezugnahme auf Artikel 3 §4 desselben Gesetzes ersetzt, werden diese Änderungen nicht
angefochten.
B.2.5. Die spezischen Methoden zum Sammeln von Daten werden durch Artikel 14 des Gesetzes vom
4. Februar 2010 eingeführt. Es handelt sich dabei um die Observation und Inspektion als spezische Methode,
die Anforderung von Identikationsdaten bezüglich des Postverkehrs und die Anforderung von Identikations- oder
Verkehrsdaten bezüglich des elektronischenKommunikationsverkehrs (Artikel 18/2 §1 des Gesetzes vom 30. Novem-
ber 1998). Diese Methoden und die Art und Weise, wie sie zur Anwendung gebracht werden können, werden in den
Artikeln 18/3 bis 18/8 des Gesetzes vom 30. November 1998 näher umschrieben.
Die spezischen Methoden können nur dann angewandt werden, wenn die gewöhnlichen Methoden als
unzureichend erachtet werden, um die zur Erfüllung des nachrichtendienstlichen Auftrags notwendigen
Informationen zu sammeln; sie müssen entsprechend dem Ernst der potentiellen Gefahr,für die sie angewandt werden,
gewählt werden (Artikel 18/3 §1 Absatz 1).
Die Nachrichten- und Sicherheitsdienste können Personen, Sachen, Orte oder Ereignisse mit Hilfe von technischen
Mitteln an öffentlichen Orten oder öffentlich zulänglichen privaten Orten sowie mit oder ohne Hilfe von technischen
Mitteln an öffentlich nicht zugänglichen privaten Orten observieren (Artikel 18/4). Sie können mit Hilfe von
technischen Mitteln die öffentlichen Orte und öffentlich zugänglichen privaten Orte sowie die dort bendlichen
Gegenstände inspizieren (Artikel 18/5). Sie können von den Identikationsdaten des Absenders oder des Adressaten
von Postsachen oder des Inhabers eines Postfachs Kenntnis nehmen. Erforderlichenfalls können sie dazu die
Mitwirkung eines Postbetreibers anfordern (Artikel 18/6). Sie können schließlich Maßnahmen zur Identizierung des
Teilnehmers oder des Nutzers von elektronischen Kommunikationsdiensten ergreifen (Artikel 18/7), sowie Maßnah-
men zur Erfassung der Verbindungsdaten von elektronischen Kommunikationsmitteln und zur Lokalisierung der
Herkunft oder der Bestimmung von elektronischen Nachrichten (Artikel 18/8). Erforderlichenfalls können sie dazu die
Mitwirkung des Betreibers eines elektronischen Kommunikationsnetzes oder des Anbieters eines elektronischen
Kommunikationsdienstes anfordern (Artikel 18/7 und 18/8).
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B.2.6. In Artikel 14 des Gesetzes vom 4. Februar 2010 sind außergewöhnliche Methoden zum Sammeln von Daten
vorgesehen. Dabei handelt es sich um die Observation und Inspektion als außergewöhnliche Methode, die Gründung
von juristischen Personen und das Sammeln von Daten unter einem Deckmantel, das Öffnen und die Kenntnisnahme
von Postsachen, das Anfordern von Bankdaten, das Eindringen in ein EDV-System und das Abhören, die Kenntnis-
nahme und die Aufzeichnung von Nachrichten (Artikel 18/2 §2 des Gesetzes vom 30. November 1998).
Diese Methoden und die Art und Weise, wie sie zur Anwendung gebracht werden können, werden in den
Artikeln 18/9 bis 18/17 des Gesetzes vom 30. November 1998 näher umschrieben.
Die außergewöhnlichen Methoden können nur dann angewandt werden, wenn die anderen Methoden zum
Sammeln von Daten als unzureichend erachtet werden, um die zur Erfüllung des nachrichtendienstlichen Auftrags
notwendigen Informationen zu sammeln; sie müssen entsprechend dem Ernst der potentiellen Gefahr und
entsprechend den mit der Erfüllung des nachrichtendienstlichen Auftrags einhergehenden Risiken für die Sicherheit
der Bediensteten der Dienste und Dritter gewählt werden (Artikel 18/9 §§ 2 und 3).
Die Nachrichten- und Sicherheitsdienste können mit oder ohne Hilfe von technischen Mitteln an öffentlich nicht
zugänglichen privaten Orten Observationen durchzuführen (Artikel 18/11) und diese Orte sowie die geschlossenen
Gegenstände, die sich an diesen Orten benden, inspizieren (Artikel 18/12). Sie können juristische Personen gründen
und einsetzen, und zu diesem Zweck können sie Bedienstete des Dienstes einsetzen, die unter dem Deckmantel einer
ktiven Identität gezielt Daten sammeln (Artikel 18/13). Sie können Postsachen öffnen und von ihrem Inhalt Kenntnis
nehmen. Der Postbetreiber ist verpichtet, die betreffenden Postsachen gegen Empfangsbestätigung zu übergeben
(Artikel 18/14). Sie können Daten in Bezug auf Bankkonten und Bankgeschäfte anfordern. Das Bankinstitut oder das
Finanzinstitut ist verpichtet, die angeforderten Informationen unverzüglich zu erteilen (Artikel 18/15). Sie können mit
oder ohne Hilfe von technischen Mitteln, von falschen Signalen, von falschen Schlüsseln oder einer falschen Eigenschaft
Zugriff auf ein EDV-System erhalten und die relevanten Daten daraus übernehmen (Artikel 18/16). Sie können
schließlich Nachrichten abhören, zur Kenntnis nehmen und aufzeichnen. Erforderlichenfalls können sie dazu die
Mitwirkung des Betreibers eines elektronischen Kommunikationsnetzes oder eines Anbieters eines elektronischen
Kommunikationsdienstes anfordern (Artikel 18/17).
B.2.7. In jedem der vorerwähnten Artikel sind Einschränkungen vorgesehen. Generell gelten für die außergewöhn-
lichen Methoden zum Sammeln von Daten eine Höchstfrist von zwei Monaten und das Erfordernis einer besonderen
Erlaubnis. Sie dürfen nur aufgrund einer vorherigen schriftlichen Erlaubnis des Leiters des betreffenden Nachrichten-
und Sicherheitsdienstes angewandt werden. Der Dienstleiter darf die Methode nur nach gleich lautender Stellung-
nahme des durch Artikel 43/1 des Gesetzes vom 30. November 1998 eingerichteten Verwaltungsausschusses, der mit
der Überwachung der in Artikel 18/2 erwähnten spezischen und außergewöhnlichen Methoden zum Sammeln von
Daten durch die Nachrichten- und Sicherheitsdienste beauftragt ist, erlauben. Dazu legt der Dienstleiter dem
vorerwähnten Ausschuss einen Entwurf der Erlaubnis vor; Letzterer überprüft, ob die Gesetzesbestimmungen über das
Anwenden der betreffenden Methode eingehalten werden (Artikel 18/10 §1). Der Verwaltungsausschuss muss
anschließend innerhalb einer Frist von vier Kalendertagen seine Stellungnahme abgeben (Artikel 18/10 §§ 3 und 4).
Eine negative Stellungnahme hat zur Folge, dass die Methode nicht angewandt werden darf (Artikel 18/10 §3).
Auch die spezischen Methoden zum Sammeln von Daten dürfen nur nach einer schriftlichen und mit Gründen
versehenen Entscheidung des Dienstleiters angewandt werden. Diese Entscheidung ist jedoch nicht von einer gleich
lautenden Stellungnahme des Verwaltungsausschusses abhängig. Sie muss lediglich diesem Ausschuss notiziert
werden (Artikel 18/3 §1 Absatz 2).
B.2.8. Bevor die Klagen hinsichtlich der Zulässigkeit und zur Sache geprüft werden, ist schließlich daran zu
erinnern, «dass die Ziele der Nachrichten- und Sicherheitsdienste auf der Ebene der Gerichtsarbeit sich grundsätzlich
von denjenigen der Polizeidienste unterscheiden»(Parl. Dok., Senat, 2008-2009, Nr. 4-1053/1, S. 12).
Wie in den Vorarbeiten dargelegt wurde, ist die Arbeit der Nachrichten- und Sicherheitsdienste eher analytischer
Art und darauf ausgerichtet, Einblick in die in Belgien bestehenden Strukturen und Netzwerke zu erlangen, während
die Gerichts- und Polizeibehörden immer Beweise im Zusammenhang mit einer (gegebenenfalls bereits begangenen)
konkreten Straftat suchen. Daher wird die strafrechtliche Untersuchung immer im Hinblick auf die Aufspürung und
Verfolgung von Straftaten durchgeführt, die durch bestimmte Personen entweder begangen wurden oder begangen
werden sollen oder bereits begangen worden sind, aber noch nicht ans Licht gebracht wurden, während eine
nachrichtendienstliche Untersuchung dazu dient, Informationen bezüglich einer Reihe von Ereignissen zu sammeln,
die sich nicht per se auf Straftaten beziehen, jedoch eine Gefahr für die Sicherheit des Staates oder die militärischen oder
grundlegenden Interessen des Landes darstellen können (ebenda, S. 12).
Die Vielfalt der Aufträge ndet Ausdruck in der deutlich unterschiedlichen Art der in beiden Arten von
Untersuchungen gesammelten Daten. Die Suche nach Informationen im Rahmen einer Ermittlung oder gerichtlichen
Untersuchung ist darauf ausgerichtet, Beweiselemente bezüglich einer Straftat zu sammeln, die auf wirksame Weise in
einem Strafverfahren vor dem Richter im Hauptverfahren verwendbar sind. Die durch die Nachrichten- und
Sicherheitsdienste gesammelten Daten dienen nicht dazu, einen Richter im Hauptverfahren von der strafrechtlichen
«Schuld»eines Angeklagten zu überzeugen, sondern es den Behörden zu ermöglichen, die notwendigen Maßnahmen
zum Schutz der grundlegenden Interessen des Landes zu ergreifen.
In Bezug auf die Zulässigkeit
B.3.1. Der Ministerrat stellt das Interesse der klagenden Parteien sowie der intervenierenden Partei in der
Rechtssache Nr. 4955 in Abrede.
B.3.2. Die erste klagende Partei, die Kammer der flämischen Rechtsanwaltschaften, und die intervenierende Partei,
die Kammer der französischsprachigen und deutschsprachigen Rechtsanwaltschaften, haben insbesondere den
Auftrag, auf die gemeinsamen beruichen Interessen ihrer Mitglieder zu achten (Artikel 495 Absatz 1 des
Gerichtsgesetzbuches), und können Initiativen und Maßnahmen ergreifen, die für die Verteidigung der Interessen des
Rechtsanwalts und des Rechtsuchenden nützlich sind (Artikel 495 Absatz 2 des Gerichtsgesetzbuches). Die zweite
klagende Partei ist Rechtsanwalt.
Im Gegensatz zu dem, was der Ministerrat anführt, ermächtigt Artikel 495 des Gerichtsgesetzbuches die
vorerwähnten Kammern, eine Nichtigkeitsklage einzureichen oder zu unterstützen gegen Bestimmungen, die sich
nachteilig auf die Interessen der Rechtsanwälte und der Rechtsuchenden auswirken können.
Da die Klage in Bezug auf die erste klagende Partei zulässig ist, braucht die Klage der zweiten klagenden Partei
nicht geprüft zu werden.
B.3.3. Die Einrede wird abgewiesen.
B.4.1. Der Ministerrat stellt ebenfalls die Zulässigkeit des Interventionsschriftsatzes in der Rechtssache Nr. 5014 in
Abrede, insofern dieser bezwecke, die ursprüngliche Klage in einem bestimmten Punkt zu erweitern.
B.4.2. Die VoG «Ligue des Droits de lHomme», intervenierende Partei in der Rechtssache Nr. 5014, bittet den Hof
insbesondere, neben der durch die klagende Partei angefochtenen Denition des Begriffs «Radikalisierungsprozess»in
Artikel 3 Nr. 15 des Gesetzes vom 30. November 1998, so wie er durchArtikel 3 des angefochtenen Gesetzes eingefügt
wurde, ebenfalls die Bezugnahme auf den vorerwähnten Begriff inArtikel 18/9 §1 des erstgenannten Gesetzes, so wie
er durch Artikel 14 des letztgenannten Gesetzes eingefügt wurde, für nichtig zu erklären.
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