Auszug aus dem Entscheid Nr. 150/2023 vom 9. November 2023 Geschäftsverzeichnisnummer 8007 In Sachen: Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 3 Nr. 4
Auszug aus dem Entscheid Nr. 150/2023 vom 9. November 2023
Geschäftsverzeichnisnummer 8007
In Sachen: Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 3 Nr. 4, 4 Nr. 1 und 37 der Ordonnanz der Gemeinsamen Gemeinschaftskommission vom 25. April 2019 « zur Regelung der Gewährung von Familienleistungen », erhoben von der VoG « Bureau d'Accueil et de Défense des Jeunes » und anderen.
Der Verfassungsgerichtshof,
zusammengesetzt aus den Präsidenten P. Nihoul und L. Lavrysen, und den Richtern T. Giet, Y. Kherbache, D. Pieters, S. de Bethune und K. Jadin, unter Assistenz des Kanzlers N. Dupont, unter dem Vorsitz des Präsidenten P. Nihoul,
erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:
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Gegenstand der Klage und Verfahren
Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 8. Juni 2023 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 9. Juni 2023 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 3 Nr. 4, 4 Nr. 1 und 37 der Ordonnanz der Gemeinsamen Gemeinschaftskommission vom 25. April 2019 « zur Regelung der Gewährung von Familienleistungen » (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 8. Mai 2019): die VoG « Bureau d'Accueil et de Défense des Jeunes », die VoG « L'Atelier des Droits Sociaux », die VoG « Forum Bruxellois de Lutte contre la Pauvreté », die VoG « Association pour le droit des Etrangers » und die VoG « Ligue des droits humains », unterstützt und vertreten durch RÄin S. Janssens, in Brüssel zugelassen.
Am 28. Juni 2023 haben die referierenden Richter T. Giet und S. de Bethune in Anwendung von Artikel 72 Absatz 1 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof den Gerichtshof davon in Kenntnis gesetzt, dass sie dazu veranlasst werden könnten, vorzuschlagen, die Untersuchung der Rechtssache durch einen Vorverfahrensentscheid zu erledigen.
(...)
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Rechtliche Würdigung
(...)
B.1. Die Klage auf Nichtigerklärung richtet sich gegen die Artikel 3 Nr. 4, 4 Nr. 1 und 37 der Ordonnanz der Gemeinsamen Gemeinschaftskommission vom 25. April 2019 « zur Regelung der Gewährung von Familienleistungen » (nachstehend: Ordonnanz vom 25. April 2019).
Diese Klage wurde gemäß Artikel 4 Absatz 2 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof im Anschluss an die Entscheide Nrn. 153/2022 vom 24. November 2022 (ECLI:BE:GHCC:2022:ARR.153) und 7/2023 vom 19. Januar 2023 (ECLI:BE:GHCC:2023:ARR.007) erhoben.
B.2. Die Ordonnanz vom 25. April 2019 legt « die Ansprüche auf Familienleistungen im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt » fest (Artikel 2 derselben Ordonnanz).
Zu diesen Familienleistungen gehören die Familienbeihilfen (Artikel 7 bis 14).
B.3.1. Artikel 4 der Ordonnanz vom 25. April 2019 bestimmt:
Ouvre droit aux prestations familiales, l'enfant :
1° ayant son domicile en région bilingue de Bruxelles-Capitale;
2° belge ou étranger bénéficiaire d'un titre de séjour;
3° répondant aux conditions fixées par l'article 25 ou 26
.
B.2.2. Nach Artikel 3 Nr. 4 derselben Ordonnanz ist unter dem « Wohnsitz » im Sinne der vorerwähnten Bestimmung der « Ort, an dem die Person nach den Informationen des Nationalregisters der natürlichen Personen ihren Hauptwohnort hat und an dem sie sich tatsächlich hauptsächlich niedergelassen hat » zu verstehen.
B.3.2. Artikel 37 der Ordonnanz vom 25. April 2019 bestimmt:
Les enfants étrangers bénéficiaires de prestations familiales en application d'un régime belge d'allocations familiales pour le mois de décembre 2019 sont réputés satisfaire à la condition fixée à l'article 4, 2°
.
In Bezug auf die Zulässigkeit der Klage
B.4. In seinem vorerwähnten Entscheid Nr. 153/2022, der auf eine Vorabentscheidungsfrage hin erlassen worden ist, hat der Gerichtshof für Recht erkannt:
1. Die Wörter ` nach den Informationen des Nationalregisters der natürlichen Personen ', die in Artikel 3 Nr. 4 der Ordonnanz der Gemeinsamen Gemeinschaftskommission vom 25. April 2019 ` zur Regelung der Gewährung von Familienleistungen ' enthalten sind, verstoßen gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.
[...]
.
Dieser Entscheid wurde am 27. April 2023 im Belgischen Staatsblatt veröffentlicht.
In seinem vorerwähnten Entscheid Nr. 7/2023, der auf eine Vorabentscheidungsfrage hin erlassen worden ist, hat der Gerichtshof für Recht erkannt:
Die Wörter ` nach den Informationen des Nationalregisters der natürlichen Personen ', die in Artikel 3 Nr. 4 der Ordonnanz der Gemeinsamen Gemeinschaftskommission vom 25. April 2019 ` zur Regelung der Gewährung von Familienleistungen ' enthalten sind, verstoßen gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung
.
Dieser Entscheid wurde am 5. Juni 2023 im Belgischen Staatsblatt veröffentlicht.
B.5. Die jetzt vorliegende Nichtigkeitsklage wurde im Anschluss an die vorerwähnten Entscheide Nrn. 153/2022 und 7/2023 aufgrund von Artikel 4 Absatz 2 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof erhoben, der bestimmt:
Eine neue Frist von sechs Monaten für die Einreichung einer Klage auf Nichtigerklärung eines Gesetzes, eines Dekrets oder einer in Artikel 134 der Verfassung erwähnten Regel wird dem Ministerrat, der Regierung einer Gemeinschaft oder einer Region, den Präsidenten der gesetzgebenden Versammlungen auf Antrag von zwei Dritteln ihrer Mitglieder oder jeglicher natürlichen oder juristischen Person, die ein Interesse nachweist, gewährt, wenn der Verfassungsgerichtshof auf eine Vorabentscheidungsfrage hin erklärt hat, dass dieses Gesetz, dieses Dekret oder diese in Artikel 134 der Verfassung erwähnte Regel gegen eine in Artikel 1 erwähnte Regel oder gegen einen in Artikel 1 erwähnten Verfassungsartikel verstößt. Die Frist läuft ab dem Tag nach dem Datum der Veröffentlichung des Entscheids im Belgischen Staatsblatt
.
B.6. Mit Artikel 4 Absatz 2 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 wollte der Sondergesetzgeber verhindern, dass Bestimmungen in der Rechtsordnung bestehen bleiben, wenn der Gerichtshof auf eine Vorabentscheidungsfrage hin erkannt hat, dass sie im Widerspruch zu den Regeln stehen, deren Einhaltung der Gerichtshof zu überwachen hat (siehe Parl. Dok., Senat, 2000-2001, Nr. 2-897/1, S. 6).
Wenn der Gerichtshof über eine aufgrund von Artikel 4 Absatz 2 eingereichte Nichtigkeitsklage befindet, kann er also dazu veranlasst werden, die angefochtene Rechtsnorm für nichtig zu erklären, insofern er vorher ihre Verfassungswidrigkeit im Vorabentscheidungsverfahren festgestellt hat.
Der vorerwähnte Artikel 4 Absatz 2 kann nicht auf eine Gesetzesbestimmung angewandt werden, die nicht Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage war, über die der Gerichtshof durch einen Entscheid befunden hat, mit dem eine neue Klageerhebungsfrist von sechs Monaten eröffnet wurde, außer wenn diese Bestimmung untrennbar mit der Gesetzesbestimmung verbunden ist, die Gegenstand der vorerwähnten Vorabentscheidungsfrage war. Er kann...
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