Auszug aus dem Entscheid Nr. 112/2023 vom 20. Juli 2023 Geschäftsverzeichnisnummer 7738 In Sachen: Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 18, 21, 43, 45
Auszug aus dem Entscheid Nr. 112/2023 vom 20. Juli 2023
Geschäftsverzeichnisnummer 7738
In Sachen: Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 18, 21, 43, 45, 46 und 48 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 18. Juni 2021 « zur Abänderung der Vorschriften im Rahmen des flämischen Sozialschutzes », erhoben vom Gesamtverband der Christlichen Gewerkschaften Belgiens und anderen.
Der Verfassungsgerichtshof,
zusammengesetzt aus den Präsidenten L. Lavrysen und P. Nihoul, und den Richtern T. Giet, M. Pâques, Y. Kherbache, T. Detienne, D. Pieters, S. de Bethune, E. Bribosia und W. Verrijdt, unter Assistenz des Kanzlers N. Dupont, unter dem Vorsitz des Präsidenten L. Lavrysen,
erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:
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Gegenstand der Klage und Verfahren
Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 21. Januar 2022 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 25. Januar 2022 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 18, 21, 43, 45, 46 und 48 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 18. Juni 2021 « zur Abänderung der Vorschriften im Rahmen des flämischen Sozialschutzes » (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 26. Juli 2021): der Gesamtverband der Christlichen Gewerkschaften Belgiens, Marc Leemans, der Allgemeine Belgische Gewerkschaftsbund, Thierry Bodson, der Allgemeine Verband der Liberalen Gewerkschaften Belgiens, Mario Coppens, die VoG « Vlaams Netwerk tegen Armoede », die VoG « Liga voor Mensenrechten », die VoG « Samenlevingsopbouw Antwerpen stad », die VoG « Vluchtelingenwerk Vlaanderen », die VoG « Ella, kenniscentrum gender en etniciteit », die VoG « Medimmigrant », die VoG « Kif Kif », die VoG « Furia » und die VoG « Vrienden van Hart boven Hard », unterstützt und vertreten durch RA J. Buelens, RÄin L. Michielsen und RÄin L. Adriaensens, in Antwerpen zugelassen und RÄin M. Van Den Broeck, in Brüssel zugelassen.
(...)
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Rechtliche Würdigung
(...)
In Bezug auf die angefochtenen Bestimmungen und deren Kontext
B.1. Die klagenden Parteien beantragen die Nichtigerklärung von Artikel 18 Nrn. 1 und 2, Artikel 21 Nr. 2 und der Artikel 43, 45, 46 und 48 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 18. Juni 2021 « zur Abänderung der Vorschriften im Rahmen des flämischen Sozialschutzes » (nachstehend: Dekret vom 18. Juni 2021).
B.2. Mit dem Dekret der Flämischen Gemeinschaft vom 18. Mai 2018 « über den flämischen Sozialschutz » (nachstehend: Dekret vom 18. Mai 2018) soll eine flämische soziale Sicherheit aufgebaut werden, die die föderale soziale Sicherheit ergänzt (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2017-2018, Nr. 1474/1, S. 3). Der flämische Sozialschutz wird in Etappen eingeführt, wobei sowohl neue Bestandteile, die im Rahmen der sechsten Staatsreform übertragen wurden, realisiert als auch bestehende Beihilfeleistungen integriert werden (ebenda).
B.3.1. Teil 1 enthält die gemeinsamen Grundbestimmungen zum flämischen Sozialschutz. So werden Gegenstand, Ziele und Prinzipien des flämischen Sozialschutzes dekretal verankert (Artikel 4 bis 8), und wird bestimmt, dass der flämische Sozialschutz eine Bürgerversicherung ist, bei der Ansprüche an die Zahlung eines jährlichen Beitrags gekoppelt sind (Artikel 5 des Dekrets vom 18. Mai 2018).
Er besteht aus verschiedenen Säulen, unter anderem dem Pflegebudget für schwer pflegebedürftige Personen, dem Pflegebudget für Ältere mit einem Pflegebedarf, dem Grundunterstützungsbudget, der stationären Altenpflege, der psychischen Gesundheitspflege, einschließlich der Rehabilitation, die hauptsächlich auf psychosoziale Aspekte gerichtet ist, der Rehabilitation, die hauptsächlich auf die Wiederherstellung physischer Funktionen gerichtet ist, der Hauspflege, der transmuralen Pflege, den Mobilitätshilfsmitteln und der multidisziplinären Rücksprache (Artikel 4 des Dekrets vom 18. Mai 2018).
Außerdem enthält dieser Teil Regeln in Bezug auf die Organisation des flämischen Sozialschutzes über die « Agentschap voor de Vlaamse Sociale Bescherming » (Agentur für den flämischen Sozialschutz) und die Pflegeversicherungskassen (Artikel 9 bis 28), die Fälle, in denen eine administrative Geldbuße verhängt werden kann, und das diesbezügliche Verfahren (Artikel 28/1), die Aufsicht über die Arbeit der Agentur und der Pflegeversicherungskassen (Artikel 29 bis 32), die Einrichtung einiger Ausschüsse, die mit Kontroll- und/oder Beratungsaufgaben beauftragt werden (Artikel 33 bis 40), die Verpflichtungen des Benutzers und die damit verbundenen Sanktionen (Artikel 41 bis 47) und die Datenverarbeitung (Artikel 49 bis 54).
Teil 2 des Dekrets vom 18. Mai 2018 enthält die allgemeinen gemeinsamen Regeln über die pflegebezogene Finanzierung, insbesondere in Bezug auf die Gewährung von Beihilfeleistungen, die Bedarfsbeurteilung (das heißt die Bestimmung des Pflegebedarfs des Benutzers), die Rechtsbehelfsverfahren, die Kumulation und Subrogation, die Rückforderungen und die Sanktionen (Artikel 58 bis 76/2).
Neben diesen gemeinsamen Regeln enthält das Dekret vom 18. Mai 2018 auch detaillierte Regeln je Kategorie von Beihilfeleistungen innerhalb der pflegebezogenen Finanzierung. So werden die Anwendungsvoraussetzungen und das Verfahren in Bezug auf das Pflegebudget für schwer pflegebedürftige Personen (Artikel 79 bis 83), das Pflegebudget für Ältere mit einem Pflegebedarf (Artikel 84 bis 90) und das Grundunterstützungsbudget (Artikel 91 bis 94) festgelegt. Schließlich enthält dieser Teil auch Regeln in Bezug auf das Pflegeticket (Artikel 95 bis 104) und die Beihilfeleistungen für Mobilitätshilfsmittel (Artikel 105 bis 135).
Teil 3 enthält die Regeln in Bezug auf die organisationsbezogene Finanzierung (Artikel 136 bis 139).
Teil 4 enthält zeitlich begrenzt gültige Bestimmungen (Artikel 139/1 bis 154/21).
Teil 5 enthält Abänderungsbestimmungen (Artikel 155 bis 175).
Teil 6 enthält Schlussbestimmungen, einschließlich der Bestimmungen über das Inkrafttreten und der Übergangsbestimmungen (Artikel 176 bis 188).
B.3.2. Das Dekret vom 18. Juni 2021 ändert den bestehenden dekretalen Rahmen in einigen Punkten ab. Es sieht zunächst die stufenweise Integration einiger zusätzlicher Sektoren in den flämischen Sozialschutz vor, nämlich der psychiatrischen Pflegeeinrichtungen, der Initiativen für begleitetes Wohnen, der Rehakliniken, der Rehabilitationsvereinbarungen, der multidisziplinären Begleitteams für Palliativpflege und der multidisziplinären Rücksprache. Darüber hinaus ändern die angefochtenen Bestimmungen die Bedingungen für die Gewährung des Anspruchs auf ein Pflegebudget ab, sehen Bedingungen für den Anspruch auf einen sozial korrigierten Pflegebeitrag vor, legen Aktengebühren bei der Einlegung eines administrativen Rechtsbehelfs fest und sehen eine neue Regelung für die Einteilung der Benutzer in Kategorien sowie den damit verbundenen Betrag des Pflegebudgets für Ältere mit einem Pflegebedarf vor.
Zur Hauptsache
In Bezug auf die Vereinbarkeit der neuen Bedingungen für die Gewährung des Pflegebudgets und der Bedingungen für den sozial korrigierten Pflegebeitrag mit der Stillhalteverpflichtung (erster Klagegrund)
B.4.1. Die klagenden Parteien leiten ihren ersten Klagegrund ab aus einem Verstoß gegen Artikel 23 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit deren Artikel 22ter, mit Artikel 9 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, mit den Artikeln 12, 13 und 15 der Europäischen Sozialcharta, mit Artikel 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, mit den Artikeln 19, 26 und 28 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, und mit der materiellen Begründungspflicht.
Im ersten Teil, der aus drei Unterteilen besteht, führen sie an, dass Artikel 18 Nrn. 1 und 2 des Dekrets vom 18. Juni 2021 gegen die Stillhalteverpflichtung verstoße. Im ersten Unterteil wenden sie sich gegen die neue, strengere Bedingung bezüglich der Aufenthaltsdauer, um für ein Pflegebudget in Betracht zu kommen (Artikel 18 Nr. 1). Im zweiten Unterteil beanstanden sie die neue Eingliederungsbedingung, um für ein Pflegebudget in Betracht zu kommen (Artikel 18 Nr. 2). Im dritten Unterteil führen sie an, dass die kumulativen Auswirkungen beider Bedingungen a fortiori gegen die Stillhalteverpflichtung verstießen.
Im zweiten Teil, der aus drei Unterteilen besteht, führen sie an, dass Artikel 21 Nr. 2 des Dekrets vom 18. Juni 2021 gegen die Stillhalteverpflichtung verstoße. Im ersten Unterteil wenden sie sich gegen die neue Bedingung bezüglich der Aufenthaltsdauer, die einen unterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren verlange, um einen sozial korrigierten Pflegebeitrag beanspruchen zu können. Im zweiten Unterteil beanstanden sie die neue Eingliederungsbedingung, um diesen Beitrag beanspruchen zu können. Im dritten Unterteil führen sie an, dass die kumulativen Auswirkungen beider neuer Bedingungen a fortiori gegen die Stillhalteverpflichtung verstießen.
Im dritten Teil beanstanden die klagenden Parteien die Kombination aus neuen Aufenthaltsdauerbedingungen und neuen Eingliederungsbedingungen in Bezug auf sowohl den Zugang zum Pflegebudget als auch den Anspruch auf den sozial korrigierten Beitrag (Artikel 18 Nrn. 1 und 2 des Dekrets vom 18. Juni 2021 in Verbindung mit Artikel 21 Nr. 2 desselben Dekrets).
B.4.2. Die Flämische Regierung macht geltend, dass die klagenden Parteien nur darlegten, wie und in welchem Umfang die angefochtenen Bestimmungen gegen die Stillhalteverpflichtung verstießen, sodass der erste Klagegrund nur zulässig sei, sofern er aus Artikel 23 der Verfassung abgeleitet sei.
B.4.3. Aus der Darlegung des ersten Klagegrunds durch die klagenden Parteien ergibt sich, dass sie sich im Wesentlichen auf das Anführen eines Verstoßes gegen Artikel 23 der Verfassung beschränken, insbesondere gegen die darin vorgesehene Stillhalteverpflichtung.
Folglich ist der erste Klagegrund nur zulässig, sofern er aus dieser Verfassungsbestimmung und der darin vorgesehenen...
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