Auszug aus dem Entscheid Nr. 33/2023 vom 2. März 2023 Geschäftsverzeichnisnummern 7633, 7655, 7686, 7731, 7751, 7752, 7753, 7757

Auszug aus dem Entscheid Nr. 33/2023 vom 2. März 2023

Geschäftsverzeichnisnummern 7633, 7655, 7686, 7731, 7751, 7752, 7753, 7757, 7758 und 7759

In Sachen: Klagen auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes vom 14. August 2021 « über verwaltungspolizeiliche Maßnahmen in einer epidemischen Notsituation », erhoben von Luc Lamine und Michel Lamine, von Marguerite Weemaes, von Kristien Roelants und Geert Lambrechts, von Vincent Franquet, von Paolo Criscenzo, von Ivar Hermans und anderen, von Peter De Roover und anderen, von der VoG « Groupe de Réflexion et d'Action Pour une Politique Ecologique » und anderen, von der VoG « Ligue des Droits de l'Homme » und der VoG « Liga voor Mensenrechten » und von Karin Verelst und Jens Hermans.

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten L. Lavrysen und P. Nihoul, und den Richtern T. Giet, J. Moerman, M. Pâques, Y. Kherbache, T. Detienne, D. Pieters, S. de Bethune, E. Bribosia, W. Verrijdt und K. Jadin, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten L. Lavrysen,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

  1. Gegenstand der Klagen und Verfahren

    1. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 10. September 2021 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 13. September 2021 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes vom 14. August 2021 « über verwaltungspolizeiliche Maßnahmen in einer epidemischen Notsituation » (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 20. August 2021, zweite Ausgabe): Luc Lamine und Michel Lamine.

    2. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 21. Oktober 2021 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 22. Oktober 2021 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob Marguerite Weemaes Klage auf teilweise Nichtigerklärung von Artikel 5 desselben Gesetzes.

    3. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 27. November 2021 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 30. November 2021 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 3 desselben Gesetzes: Kristien Roelants und Geert Lambrechts, unterstützt und vertreten durch RA P. Vande Casteele, in Antwerpen zugelassen.

    4. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 14. Januar 2022 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 17. Januar 2022 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob Vincent Franquet Klage auf völlige oder teilweise (Artikel 5 §§ 1 und 2) Nichtigerklärung desselben Gesetzes.

    5. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 14. Februar 2022 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 15. Februar 2022 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob Paolo Criscenzo, unterstützt und vertreten durch RA R. Bokoro N'Saku, in Brüssel zugelassen, Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 2 bis 10 desselben Gesetzes.

    6. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 17. Februar 2022 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 18. Februar 2022 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung desselben Gesetzes: Ivar Hermans, D.D., Liliana Carlisi, Hugo Cornelis, Veerle Mattheussen, Bart Keppens, Sebastien Calebout, Ruth Reynders, Leon Vervecken, Thierry De Mees, Dirk Landuyt, Sofie Van Remoortel, Etienne Opsteyn, Tim Reynders, Koen Terryn, Petra Cops, Ivo Goossens, Joseph Cassimons, Gunter Knapen, Monique Janssen, Claudia Congedo, Gert Gabriëls, Birgit Goris, Ilse Lemmens, Christel Lemmens, Lawrence Blyden, Jimmy Wenmeekers, C.G., Michiel Vanoppen, Tamara Buvens, Inge Ketels, Koen Alen, Gerlinda Van Kogelenberg, Christiaan Van Mieghem, Antoinette Bos, Sarah Janssen, Tinneke De Keersmaecker, Wouter Van Betten, Walter Ospitalieri, Mirke Van Der Gucht und Luciana Colladet.

      Mit derselben Klageschrift beantragten die klagenden Parteien ebenfalls die einstweilige Aufhebung desselben Gesetzes. In seinem Entscheid Nr. 80/2022 vom 9. Juni 2022 (ECLI:BE:GHCC:2022:ARR.080), veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 4. Oktober 2022, hat der Gerichtshof die Klage auf einstweilige Aufhebung zurückgewiesen.

    7. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 17. Februar 2022 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 18. Februar 2022 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 3 § 1 und § 2 Absätze 2 und 3, Artikel 4, Artikel 5 § 1 und § 2 und Artikel 6 § 1 desselben Gesetzes: Peter De Roover, Leo Joy Donné, Björn Anseeuw und Yngvild Ingels, unterstützt und vetreten durch RA M. E. Storme, in Gent zugelassen.

    8. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 21. Februar 2022 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 22. Februar 2022 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 2 Nr. 3, Artikel 4, Artikel 5 und Artikel 6 desselben Gesetzes: die VoG « Groupe de Réflexion et d'Action Pour une Politique Ecologique », die VoG « Notre Bon Droit » und Thierry Vanderlinden, unterstützt und vertreten durch RA D. Brusselmans, in Wallonisch-Brabant zugelassen.

    9. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 21. Februar 2022 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 23. Februar 2022 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung desselben Gesetzes: die VoG « Ligue des droits humains » und die VoG « Liga voor Mensenrechten », unterstützt und vertreten durch RA V. Letellier, in Brüssel zugelassen.

    10. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 21. Februar 2022 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 23. Februar 2022 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung desselben Gesetzes: Karin Verelst und Jens Herman, unterstützt und vertreten durch RA J. De Groote, in Dendermonde zugelassen.

      Diese unter den Nummern 7633, 7655, 7686, 7731, 7751, 7752, 7753, 7757, 7758 und 7759 ins Geschäftsverzeichnis des Gerichtshofes eingetragenen Rechtssachen wurden verbunden.

      (...)

  2. Rechtliche Würdigung

    (...)

    In Bezug auf das angefochtene Gesetz

    B.1. Mit dem Gesetz vom 14. August 2021 « über verwaltungspolizeiliche Maßnahmen in einer epidemischen Notsituation » (nachstehend: Pandemiegesetz) möchte der Gesetzgeber « ein Gefüge besonderer verwaltungs- polizeilicher Regeln vorsehen, insbesondere für epidemische Notsituationen », die « (sofern noch erforderlich) im Rahmen der COVID-19-Pandemie sowie im Rahmen etwaiger künftiger epidemischer Situationen angewandt werden können » (Parl. Dok., Kammer, 2020-2021, DOC 55-1951/001, S. 4). Der Zweck besteht darin, « die verwaltungspolizeilichen Maßnahmen, die während einer epidemischen Notsituation getroffen werden können, festzulegen und diesen einen Rahmen zu geben » (ebenda, S. 55).

    Das Pandemiegesetz sieht einen allgemeinen Rahmen für die Bekämpfung jeder epidemischen Notsituation vor. Es definiert die « epidemische Notsituation » (Artikel 2), räumt dem König die Befugnis ein, diese für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten auszurufen (Artikel 3 § 1) und anschließend durch einen im Ministerrat beratenen Erlass auch verwaltungspolizeiliche Maßnahmen für jeweils höchstens drei Monate zu ergreifen (Artikel 4 §§ 1 und 3 Absatz 2). Bei unmittelbar drohender Gefahr können die Maßnahmen, die keinen Aufschub dulden, vom Minister des Innern durch einen im Ministerrat beratenen ministeriellen Erlass ergriffen werden (Artikel 4 § 1 Absatz 3). Außerdem können die Gouverneure und Bürgermeister gemäß den eventuellen Anweisungen des Ministers des Innern strengere Maßnahmen ergreifen, wenn die lokalen Umstände es erfordern.

    Die Abgeordnetenkammer ist für eine Kontrolle a posteriori zuständig. Sie muss die Ausrufung der epidemischen Notsituation durch den König innerhalb von fünfzehn Tagen bestätigen. Bei Ausbleiben einer Bestätigung treten der betreffende königliche Erlass (Artikel 3 § 2 Absatz 3) und die verwaltungspolizeilichen Maßnahmen außer Kraft (Artikel 4 § 3 Absatz 3).

    Die Regierung muss die königlichen Erlasse mit den getroffenen Maßnahmen noch vor ihrer Veröffentlichung im Belgischen Staatsblatt dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer übermitteln (Artikel 4 § 4 Absatz 1). Auch die Stellungnahmen der im Rahmen der Krisenbewältigung zuständigen Organe, auf deren Grundlage die Erlasse angenommen wurden, und die ministeriellen Erlasse sind schnellstmöglich dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer zu übermitteln (Artikel 4 § 4 Absätze 2 und 3). Die Regierung erstattet der Abgeordnetenkammer jeden Monat Bericht über die epidemische Notsituation sowie die ergriffenen verwaltungspolizeilichen Maßnahmen (Artikel 9).

    Die epidemische Notsituation gilt für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten (Artikel 3 § 1 Absatz 1), der jedoch verlängert werden kann, und zwar wiederum um höchstens drei Monate (Artikel 3 § 1 Absatz 2), sofern eine Bestätigung der Abgeordnetenkammer vorliegt (Artikel 3 § 2 Absatz 2).

    B.2. Das Pandemiegesetz enthält in Kapitel 2 Bestimmungen über die epidemische Notsituation (Artikel 2 bis 10) und in Kapitel 3 Bestimmungen zur Abänderung des Gesetzes vom 31. Dezember 1963 « über den Zivilschutz » (Artikel 11), des Gesetzes vom 15. Mai 2007 « über die zivile Sicherheit » (Artikel 12) und von Kapitel 3 des Sozialstrafgesetzbuches (Artikel 13 bis 15). Kapitel 4 regelt das Inkrafttreten (Artikel 16).

    B.3.1. Artikel 2 des Pandemiegesetzes bestimmt:

    Für die Anwendung des vorliegenden Gesetzes gelten folgende Begriffsbestimmungen:

    1. ' Gouverneur ': die Provinzgouverneure und die zuständige Behörde der Brüsseler Agglomeration in Anwendung von Artikel 48 des Sondergesetzes vom 12. Januar 1989 über die Brüsseler Institutionen,

    2. ' Minister ': der für Inneres zuständige Minister,

    3. ' epidemische Notsituation ': jedes Ereignis, das infolge des Vorhandenseins eines Infektionserregers beim Menschen zu einer ernsthaften Bedrohung führt oder führen könnte und:

    a. das eine große Anzahl von...

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