Auszug aus dem Entscheid Nr. 33/2022 vom 10. März 2022 Geschäftsverzeichnisnummer 7330 In Sachen: Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes vom 22. Mai 2019 « zur Abänderung verschiedener

Auszug aus dem Entscheid Nr. 33/2022 vom 10. März 2022

Geschäftsverzeichnisnummer 7330

In Sachen: Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes vom 22. Mai 2019 « zur Abänderung verschiedener Bestimmungen in Bezug auf die Verwaltung der polizeilichen Informationen », erhoben von der VoG « Ligue des droits humains ».

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten P. Nihoul und L. Lavrysen, und den Richtern J.-P. Moerman, T. Giet, R. Leysen, J. Moerman, M. Pâques, Y. Kherbache, T. Detienne, D. Pieters, S. de Bethune und E. Bribosia, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten P. Nihoul,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

  1. Gegenstand der Klage und Verfahren

    Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 17. Dezember 2019 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 18. Dezember 2019 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob die VoG « Ligue des droits humains », unterstützt und vertreten durch RÄin C. Forget, in Brüssel zugelassen, Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 4, 7, 8, 13, 14, 21 und 22 des Gesetzes vom 22. Mai 2019 « zur Abänderung verschiedener Bestimmungen in Bezug auf die Verwaltung der polizeilichen Informationen » (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 19. Juni 2019).

    (...)

  2. Rechtliche Würdigung

    (...)

    In Bezug auf den Kontext der angefochtenen Bestimmungen

    B.1.1. Die klagende Partei beantragt die teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes vom 22. Mai 2019 « zur Abänderung verschiedener Bestimmungen in Bezug auf die Verwaltung der polizeilichen Informationen » (nachstehend: angefochtenes Gesetz).

    Dieses Gesetz bezweckt die Anpassung der Rechtsvorschriften zur Verwaltung von personenbezogenen Daten und Informationen durch die Polizeidienste im Anschluss an die am 27. April 2016 erfolgte Annahme der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates « zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) » (nachstehend: DSGVO) und der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates « zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates » (nachstehend: Polizeirichtlinie) (Parl. Dok., Kammer, 2018-2019, DOC 54-3697/001, S. 5).

    Im Hinblick auf die Ausführung der DSGVO und die Umsetzung der Polizeirichtlinie hat der belgische Gesetzgeber eine Rahmengesetzgebung angenommen, die insbesondere aus dem Gesetz vom 3. Dezember 2017 « zur Schaffung der Datenschutzbehörde » (nachstehend: Gesetz vom 3. Dezember 2017) und dem Gesetz vom 30. Juli 2018 « über den Schutz natürlicher Personen hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten » (nachstehend: Gesetz vom 30. Juli 2018) besteht.

    In Titel 2 des Gesetzes vom 30. Juli 2018 wird der für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Polizeidienste geltende allgemeine Rahmen festgelegt. Das angefochtene Gesetz zielt darauf ab, diesen allgemeinen Rahmen « in konkreter Weise in den bestehenden operativen und statutarischen Rechtsvorschriften über die integrierte Polizei » umzusetzen (Parl. Dok., Kammer, 2018-2019, DOC 54-3697/001, S. 6).

    B.1.2. Durch das angefochtene Gesetz werden zwei andere Gesetze abgeändert. In erster Linie ändert es das Gesetz vom 5. August 1992 « über das Polizeiamt » (nachstehend: Gesetz über das Polizeiamt) ab.

    Die an dem Gesetz über das Polizeiamt vorgenommenen Abänderungen sind in Titel II Kapitel 1 des angefochtenen Gesetzes aufgeführt (Artikel 2 bis 26).

    B.1.3. Das angefochtene Gesetz ändert auch das Gesetz vom 7. Dezember 1998 « zur Organisation eines auf zwei Ebenen strukturierten integrierten Polizeidienstes » ab.

    Die an dem vorerwähnen Gesetz vom 7. Dezember 1998 vorgenommenen Abänderungen sind in Titel II Kapitel 2 des angefochtenen Gesetzes aufgeführt (Artikel 27 bis 33).

    B.1.4. Das angefochtene Gesetz ist am 29. Juni 2019 in Kraft getreten.

    In Bezug auf die Zulässigkeit

    B.2.1. Da die von der klagenden Partei angeführten Beschwerdegründe ausschließlich gegen die Artikel 4, 7, 8, 13, 14, 21 und 22 des angefochtenen Gesetzes gerichtet sind, ist die Klage nur zulässig, insoweit sie gegen diese Artikel gerichtet ist.

    B.2.2. Der Ministerrat bestreitet die Zulässigkeit der meisten der in dem einzigen Klagegrund angeführten Beschwerdegründe mit der Begründung, dass sie nicht ausreichend dargelegt seien oder dass sie gegen andere als die angefochtenen Gesetzesbestimmungen gerichtet seien. Außerdem führt er an, dass der einzige Klagegrund unzulässig sei, weil der Gerichtshof nicht befugt sei, eine unmittelbare Prüfung von Gesetzgebungsakten der Europäischen Union (die vorerwähnte Polizeirichtlinie) vorzunehmen.

    B.2.3. Der Gerichtshof ist befugt, gesetzeskräftige Normen anhand der Regeln zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Föderalbehörde, Gemeinschaften und Regionen sowie anhand der Artikel von Titel II (« Die Belgier und ihre Rechte ») und der Artikel 143 § 1, 170, 172 und 191 der Verfassung zu prüfen.

    Alle Beschwerdegründe beziehen sich auf einen Verstoß gegen eine oder mehrere dieser Regeln, deren Einhaltung der Gerichtshof gewährleistet. Soweit die klagende Partei ferner auch einen Verstoß gegen einen Gesetzgebungsakt der Europäischen Union erführt/anführt, prüft der Gerichtshof die Beschwerdegründe nur insoweit, als die klagende Partei einen Verstoß gegen die vorerwähnten Verfassungsbestimmungen in Verbindung mit dem betreffenden Akt geltend macht. In diesem Umfang sind die Beschwerdegründe zulässig.

    B.2.4.1. Um den Erfordernissen nach Artikel 6 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof zu entsprechen, müssen die in der Klageschrift vorgebrachten Klagegründe angeben, welche Vorschriften, deren Einhaltung der Gerichtshof gewährleistet, verletzt wären und welche Bestimmungen gegen diese Vorschriften verstoßen würden, und darlegen, in welcher Hinsicht diese Vorschriften durch die fraglichen Bestimmungen verletzt würden.

    B.2.4.2. Im fünften Teil des einzigen Klagegrunds macht die klagende Partei geltend, dass Artikel 44/11/3 des Gesetzes über das Polizeiamt, abgeändert durch Artikel 14 des angefochtenen Gesetzes, gegen die in B.3 erwähnten Referenznormen verstoße, insofern der Gesetzgeber die Verpflichtung, bei dem Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen (nachstehend: Kontrollorgan) eine vorherige Erklärung über die Einrichtung jeder neuen Datenbank abzugeben, durch ein System ersetzt hat, mit dem das Kontrollorgan über das einzige Register der Verarbeitungsvorgänge der Polizeidienste aktiv benachrichtigt wird.

    Die klagende Partei legt jedoch nicht dar, inwiefern die angefochtene Bestimmung gegen diese Referenznormen verstoßen würde. Sie beschränkt sich darauf festzustellen, dass eine solche extreme Einschränkung der Rechte der betroffenen Personen eine vorherige Kontrolle erfordern würde, präzisiert allerding nicht, warum die angefochtene Bestimmung, die eine andere Garantie enthält, nicht zum Schutz dieser Rechte ausreichen würde.

    Folglich ist der fünfte Teil des einzigen Klagegrunds unzulässig.

    B.2.4.3. Im siebten Teil des einzigen Klagegrunds führt die klagende Partei an, dass Artikel 44/11/9 des Gesetzes über das Polizeiamt, abgeändert durch Artikel 22 des angefochtenen Gesetzes, gegen die in B.3 erwähnten Referenznormen verstoße, insofern er eine zwingende Stellungnahme des Kontrollorgans im Fall der Mitteilung von personenbezogenen Daten an öffentliche Behörden nicht vorschreibe.

    Die klagende Partei beschränkt sich darauf zu betonen, dass eine solche Garantie « im vorliegenden Fall fehlt », ohne zu präzisieren, inwiefern diese Garantie notwendig wäre. Sie kommt so ihrer Pflicht dazulegen, inwiefern diese Referenznormen durch die angefochtene Bestimmung verletzt würden, nicht nach.

    Demzufolge ist der siebte Teil des einzigen Klagegrunds unzulässig.

    B.2.4.4. Der Gerichtshof prüft die anderen Teile des einzigen Klagegrunds und die darin erhobenen Beschwerdegründe ebenfalls nur, insoweit sie die in B.2.4.1 erwähnten Erfordernisse erfüllen.

    B.2.5. Die Frage, ob die angeführten Beschwerdegründe ihren Ursprung in anderen Bestimmungen als den angefochtenen Bestimmungen haben, hängt von deren Tragweite ab. Die Prüfung dieser Einrede der Unzulässigkeit deckt sich mit der Prüfung der Sache selbst.

    In Bezug auf den einzigen Klagegrund

    B.3. Der einzige Klagegrund ist abgeleitet aus einem Verstoß gegen die Artikel 10, 11 und 22 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit den Artikeln 14, 15, 16, 17 und 28 der Polizeirichtlinie, mit den Artikeln 6 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, mit den Artikeln 7, 8, 47 und 52 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (nachstehend: Charta) und mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz, der Vorhersehbarkeit, der Legalität und der Gleichheit.

    Nach Auffassung der klagenden Partei verletzt das angefochtene Gesetz das Recht auf Achtung des Privatlebens, das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten und das Recht auf eine wirksame Beschwerde, die durch diese Bestimmungen gewährleistet werden. Bei mehreren durch das angefochtene Gesetz eingeführten Maßnahmen werde das Legalitätsprinzip nicht beachtet und sie seien unverhältnismäßig.

    In Bezug auf das Recht auf Achtung des Privatlebens und des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten

    B.4.1. Artikel 22 der Verfassung bestimmt:

    Jeder hat ein Recht auf Achtung vor seinem Privat- und Familienleben, außer in den Fällen und unter den Bedingungen, die durch Gesetz festgelegt sind.

    Das Gesetz, das Dekret oder die in Artikel 134 erwähnte Regel gewährleistet den Schutz dieses Rechtes

    .

    B.4.2. Artikel 8 der Europäischen...

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